Rechtsprechung

Gestaltungsmöglichkeiten in Tarifverträgen

In Tarifverträgen können viele Regelungen getroffen werden, die von gesetzlichen Regelungen abweichen. In zwei aktuellen Verfahren hat sich das BAG damit beschäftigen müssen.

Im ersten Verfahren ging es um die Berechnung des Urlaubsentgeltes. Zwar können Tarifvertragsparteien vom BUrlG abweichende Regelungen treffen, doch dies gilt nicht, wenn durch solche Regelungen die zu erbringenden Wochenarbeitsstunden unberücksichtigt blieben, die  über die vereinbarte Wochenarbeitszeit hinausgehen. Die Tarifvertragsparteien können jedoch jede Berechnungsmethode wählen, die geeignet ist, ein Urlaubsentgelt sicherzustellen, wie es der Arbeitnehmer bei Weiterarbeit ohne Freistellung voraussichtlich hätte erwarten können.

Im zweiten Verfahren ging es um eine tarifvertragliche Bestimmung, nach der ein Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge erst besteht, wenn die für eine Vollzeittätigkeit maßgebliche Stundenzahl überschritten wird. Eine solche Regelung verstößt gegen § 4 Abs. 1 TzBfG.

 

Rechtsprechung zur sachgrundlosen Befristung

Das LArbG Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass dann, wenn ein mit einem anderen Arbeitgeber rechtlich und tatsächlich verbundener Arbeitgeber mit einem zuvor bei dem anderen Arbeitgeber befristet beschäftigten Arbeitnehmer einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag abschließt, es sich um eine rechtsmissbräuchliche Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen zur sachgrundlosen Befristung handeln kann.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts des Bundesarbeitsgerichts kann die Drittmittelfinanzierung als sonstiger Sachgrund die Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG rechtfertigen.

Ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG vor, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Das BAG konkretisierte die Regelung hier in einem Verfahren, in dem es um die Beschäftigung eines Entwicklungshelfers ging.

Ablehnung von Elternteilzeit

Klagt eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer auf Zustimmung zu einer zuvor erfolglos beantragten Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit, kann der Arbeitgeber im Prozess nur solche der Elternteilzeit im Sinne von § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG entgegenstehenden Gründe einwenden, auf die er sich bereits in einem form- und fristgerechten Ablehnungsschreiben berufen hat (BAG v. 11.12.2018).

Arbeitgeber sollten daher bei der Begründung der Ablehnung sorgsam vorgehen.

Eingruppierung von Dipl.-Sozialpädagogen

Mit Beschluss vom 14.01.2019 (AZ 8 TaBV 64/18) hat sich das LAG Niedersachsen mit der Eingruppierung (gemäß TVöD-SUE) von Dipl.-Sozialpädagogen im Gruppendienst beschäftigt. 

Das Landesarbeitgericht sah hier die Merkmale einer schwierigen Tätigkeit als erfüllt an. Gemäß der Protokollnotiz Nr. 11 zum SUE gehört zu den schwierigen Tätigkeiten u.a. die begleitende Fürsorge für Heimbewohner und nachgehende Fürsorge für ehemalige Heimbewohner. Sowohl das Merkmal der begleitenden Fürsorge als auch die Tätigkeit in einem "Heim" liegen bei Dipl.-Sozialpädagogen im Gruppendienst einer stationären Jugendhilfeeinrichtung vor.

Dadurch werden die tariflichen Merkmale für eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe S 12 erfüllt.

Die Entscheidung wurde noch nicht veröffentlicht, kann aber von unseren Mitgliedern in anonymisierter Form angefordert werden.

Die Entscheidung ist zu begrüßen und entspricht auch der von uns bislang vertretenen Argumentation.

MdC 11.04.2019

BAG zum Bereitschaftsdienst im öffentlichen Dienst

In einer interessanten Entscheidung hat sich das BAG (17.1.2019, 6 AZR 17/18) mit den Bereitschaftsdiensten im öffentlichen Dienst befasst.

Bereitschaftsdienst setzt nach § 7 Abs. 3 TVöD-B voraus, dass sich der betroffene Beschäftigte auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhält, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen. Das BAG stellt dazu fest, dass die Tarifvertragsparteien durch diese Formulierung deutlich gemacht haben, dass Bereitschaftsdienste nur zusätzlich zur normalen Arbeitszeit angeordnet werden können.

Im hier entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber die Bereitschaftszeiten mit 25% der Normalarbeitszeit faktorisiert und auf die Normalarbeitszeit angerechnet. Dies ist aber nach Entscheidung des BAG nur im Falle einer Betriebsvereinbarung möglich:

"Die Abgeltung von Bereitschaftsdienstentgelt durch Freizeit setzt nach § 8.1 Abs. 6 iVm. § 10 Abs. 3 Satz 2 TVöD-B den Abschluss einer entsprechenden Betriebs- oder Dienstvereinbarung voraus. Liegt eine solche betriebliche Regelung vor, führt dies zu einer Verminderung der Sollarbeitszeit, denn Freizeitausgleich bedeutet, bezahlte Freizeit zu erhalten, statt Arbeitszeit ableisten zu müssen (...). Im Ergebnis wird die Belastung des Bereitschaftsdienstes bei unveränderter Vergütung durch Freizeit kompensiert. Diesen Ausgleich kann der Arbeitgeber nicht einseitig, sondern nur auf Grundlage einer Vereinbarung mit dem Betriebs- oder Personalrat anordnen. Es ist mit § 8.1 Abs. 6 iVm. § 10 Abs. 3 Satz 2 TVöD-B nicht vereinbar, wenn der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts entscheiden könnte, ob geleistete Bereitschaftsdienste durch Freizeit ausgeglichen werden".

 In Arbeitsfeldern mit hohem Bereitschaftsdienstanteil dürften Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen daher zukünftig häufiger geschlossen werden, da die Anrechnung derart faktoriserter Zeiten sowohl im Arbeitsgeber- als auch Arbeitnehmerinteresse liegen dürfte und zudem eher zu Vollzeitbeschäftigung führt.

29.03.2019

MdC

BAG zum Urlaubsrecht

aktualisiert am 22.03.2019

Das BAG hat insbesondere in den letzten Monaten einige wichtige Fragen des Urlaubsrechts zu beantworten gehabt:

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So ging es im Urteil vom 18.09.2018 unter 9 AZR 162/18 gleich um mehrere Fragen. Zusammenfassend stellte das BAG hier fest, dass

  • eine Arbeitgeberin auch ungeachtet eines anhängigen Kündigungsschutzverfahrens zur Urlaubsgewährung verpflichtet ist. Die Ungewissheit der Parteien über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses stünde dem nicht entgegen,
  • bei einer Regelung, die zu Lasten des Arbeitnehmers vom gesetzlichen Fristenregime beim Urlaub abweicht (z.B. in einer Ausschlussklausel) , der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub klar und deutlich ausgenommen werden muss - ansonsten wird ggf. die gesamte Ausschlussklausel unwirksam,
  • mehrstufige Ausschlussklauseln so transparent gestaltet werden müssen, dass der Arbeitnehmer sie auch verstehen kann (im entsiedenen Fall stellte die Klausel sowohl auf Zeitpunkte der Fälligkeit als auch der Anspruchsentstehung ab),
  • auch der  als Schadensersatz an die Stelle des erloschenen Urlaubsanspruchs tretende Ersatzurlaub  keinen Ausschlussfristen unterliegt (wie auch der Urlaubsanspruch).

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Mit Urteil vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 541/15 - hat das BAG nun die Auffassung des EuGH zum Verfall von Urlaubsansprüchen übernommen. In der Pressemitteilung zu dem noch nicht veröffentlichten Urteil heisst es:

Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub erlischt in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Arbeitgeber sind daher gut beraten, die Urlaubsansprüche ihrer Mitarbeiter im Blick zu behalten. Es ist sodann frühzeitig darauf hinzuweisen, dass der Urlaub auch genommen wird. Nur wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch darüber belehrt, dass dessen Urlaub sonst verfällt, kann es tatsächlich noch zu einem Verfall von Urlaubsansprüchen kommen.

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 Am 19.03.2019 hat das BAG unter 9 AZR 315/17 entschieden, dass für die Berechnung des gesetzlichen Mindesturlaubs Zeiten eines unbezahlten Sonderurlaubs unberücksichtigt bleiben. Im hier entschiedenen Fall hatte ein Arbeinehmer über ein Jahr unbezahlten Sonderurlaub und verlangt für diese Zeit den gesetzlichen Mindesturlaub. Das BAG hat dies folgerichtig abgelehnt, da einem Arbeitnehmer für ein Kalenderjahr, in dem er sich durchgehend im unbezahlten Sonderurlaub befindet, mangels einer Arbeitspflicht kein Anspruch auf Erholungsurlaub zustehe. Das BAG hält damit nicht mehr an seiner bisherigen Rechtsprechung fest!

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Am 19.03.2019 hat das BAG  sodann ebenfalls zur Frage der Kürzung des Urlaubs während der Elternzeit zu entscheiden gehabt. Die  Kürzung des Urlaubs gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG steht nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts im Einklang mit dem Unionsrecht. Wir beobachten immer wieder, dass viele Arbeitgeber diese Möglichkeit gar nicht kennen. Für unsere Mitglieder stellen wir dazu Musterschreiben zur Verfügung.

 

 MdC

 

 

Nachtbereitschaftsdienst oder Nachtbereitschaftszeit ?

Das LAG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 21.01.2019 – 1 Sa 9/18 – entschieden, dass ein Erzieher, der in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe zur Nachtbereitschaft eingeteilt ist,  hierbei Bereitschaftsdienst im Sinne des § 4 Abs. 3 Anlage 33 der AVR des Deutschen Caritasverbandes leistet. Es handelt sich bei der Nachtbereitschaft nicht um Bereitschaftszeiten nach § 8 Abs. 1 Anlage 33 der AVR.

Da bislang keine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Nachtbereitschaft von Erziehern in den Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe vorliegt, hat die Kammer die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Wir werden hier weiter berichten, sobald das Verfahren in die nächste Runde geht.

Zu beachten ist, dass die AVR des Caritasverbandes zwischen Nachtdienst und Bereitschaftszeiten unterscheiden. Ob mit den Bereitschaftsdiensten zu der "traditionellen" Einteilung Vollarbeit - Arbeitsbereitschaft - Bereitschaftszeit bald noch eine weitere Kategorie hinzukommt bleibt abzuwarten.

MdC

Anm. vom 11.04.2019: Mittlerweile liegt die Entscheidung im Volltext vor.

 

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Arbeitgeberverband privater Träger
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inder- und Jugendhilfe e.V.

Nikolaiwall 3

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Mail: info@ag-vpk.de

Internet: www.ag-vpk.de

 

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