Rechtsprechung

Urlaub und Mutterschutz bzw. Elternzeit

Wie fatal es (für Arbeitgeber) werdn kann, wenn die Küzungsmöglichkeit des Urlaubsanspruchs in der Elternzeit nicht vorgenommen wird, das zeigt ein neues Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 16.04.2024 – 9 AZR 165/23).

Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ist der Urlaub abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Dies gilt nach § 17 Abs. 3 BEEG auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis im Anschluss an die Elternzeit nicht fortgesetzt wird.

Ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung setzt weiterhin voraus, dass zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch offene Urlaubsansprüche bestehen, die nicht mehr erfüllt werden können, weil das Arbeitsverhältnis beendet ist. Der Arbeitgeber muss deshalb Urlaubsansprüche in der Elternzeit aktiv kürzen, da diese Ansprüche sonst nicht verfallen.

Im hier entschiedenen Fall standen einer Arbeitnehmerin am Ende des Arbeitsverhältnisses deshalb noch 146 (!) Urlaubstage zu

 

Annahmeverzugslohn - Darlegungs- und Beweislast

Zur Darlegungs- und Beweislast beim Annahmeverzug hat sich das LArbG Stuttgart in seinem Urteil vom 11.September 2024  (Az: 4 Sa 10/24) befasst. Zusammengefasst werden kann die Entscheidung in 3 Leitsätzen:

1. Klagt der Arbeitnehmer nach einer unwirksamen Entlassung auf Zahlung von Annahmeverzugsentgelt, muss er sich gemäß § 11 Nr. 2 KSchG das anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Von der demnach erforderlichen Kausalität eines böswilligen Unterlassens für einen entgangenen anderweitigen Verdienst kann nur ausgegangen werden, wenn dem Arbeitnehmer die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bekannt war bzw. bekannt gemacht wurde.

2. Im entsprechenden Rechtsstreit trägt der Arbeitgeber grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer eine zumutbare Tätigkeit gefunden hätte und dass er diese konkrete Tätigkeitsmöglichkeit nicht wahrgenommen hat. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bereits während des Annahmeverzugszeitraums konkrete Stellenangebote unterbreitet, obliegt es im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast dem Arbeitnehmer, so konkret wie möglich hierzu vorzutragen.

3. Eine Darlegungslast des Arbeitnehmers kann aber nicht ausgelöst werden, wenn der Arbeitgeber erst nach dem Ende des Verzugszeitraums ermittelte Stellenangebote vorträgt, die auf dem Internetportal "Jobbörse" der Agentur für Arbeit gestanden haben sollen.

 

 

Alarmbereitschaft als Arbeitszeit?

Das OVG Nordrhein-Westfalen entschied in seinen Urteilen v. 30.09.2024 (Az. 6 A 856/23 und 6 A 857/23),  dass Alarmbereitschaft als Arbeitszeit gilt und berief sich dabei auf das Europarecht. Zwei Feuerwehrmänner der Mühlheimer Feuerwehr bekommen daher nun finanzielle Entschädigung für geleistete Alarmbereitschaftszeiten.

Wie schwierig die Abgrenzung zwischen Rufbereitschaft, Bereitschaft und „Normalarbeit“ ist, das wurde bereits ausgiebig im letzten Blickpunkt Jugendhilfe erörtert. Ob mit diesem Urteil noch einmal weitere Aspekte der Bewertung von Arbeitszeit in die Rechtsprechung einfließen wird abzuwarten sein. Da das Urteil zum Redaktionsschluss noch nicht im Volltext vorlag, wird darauf ggf. in der kommenden Ausgabe noch einmal zurückzukommen sein.

Kein Urlaubsverfall während der Elternzeit

In einer aktuellen Entscheidung des BAG (Urteil v.  16.04.2024 - Az: 9 AZR 165/23) ging es gleich um gleich mehrere Fragen zum Thema Urlaub und Elternzeit.

Das Urteil kann wie folgt zusammengefasst werden:

- während Beschäftigungsverboten vor und nach der Geburt sowie in der Elternzeit entstandene Urlaubsansprüche gelten Besonderheiten.

- Urlaubsansprüche werden nicht vor Ablauf der Mutterschutzfristen bzw. Beendigung der Elternzeit fällig. Urlaubsansprüche setzen  das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus und der URlaub dient dazu, den Arbeitnehmer zur Erholung freizustellen. Sofern die BEschäftigungspflicht aber suspendiert ist, was sowohl während der Beschäftigungsverbote bzw.   der Elternzeit der Fall ist, kann daher keine Verjährung eintreten.

- Urlaub kann darüber hinaus vor Ablauf des Urlaubsjahres weder verfallen noch verjähren. Abweichend vom BUrlG bestimmen die Regelungen des Mutterschutzgesetzes und der Regelungen zur Elternzeit  (vgl. § 24 Satz 2 MuSchG bzw.  § 17 Abs. 2 BEEG) abweichendnd von § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG, dass der Urlaub nicht im „laufenden“ Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss und verschieben -vereinfacht gesagt- die Fristen aus § 7 Abs. 3 BUrlG  auf die Zeit nach Ablauf der Mutterschutzfristen bzw. Elternzeit.

Absolut wichtig ist an dieser Stelle noch einmal der Hinweis auf die Möglichkeit des Arbeigebers, den Urlaub in der Elternzeit kürzen zu können. Das BAG fürhrt dazu noch einmal aus:

"Möchte der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Erholungsurlaub nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG kürzen, muss er die entsprechende Erklärung im bestehenden Arbeitsverhältnis abgeben. Das Kürzungsrecht setzt somit voraus, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub bei Zugang der Kürzungserklärung noch besteht. Es kann nicht mehr ausgeübt werden, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat (mit ausf. Begründung BAG 19. Mai 2015 – 9 AZR 725/13 – Rn. 10, 13 ff., BAGE 151, 360)."

 

Im hier entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber  die Kürzung versäumt - und musste im Ergebnis fast 150 Urlaubstage ausbezahlen.

 

13.09.2024 MdC

Inflationsausgleichsprämie und Elternzeit

In einem vielbeachteten Urteil des Arbeitsgerichts Essen (ArbG Essen, Urteil vom 16.04.2024 – 3 Ca 2231/23) ging es um die Frage, ob ein Tarifvertrag MItarbeiter/-innen in Elternzeit von der Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie ausschließen könne. Nein, so noch das Arbeitsgericht Essen -und begründete seine Entscheidung vor allem mit einer Diskrminierung. Ein Tarifvertrag, der Arbeitnehmer in Elternzeit von der Inflationsausgleichszahlung ausschließt, diskriminiert nach Auffassung der Essener Gerichts insbesondere Mütter, da sie häufiger und länger Elternzeit nehmen.

In der Berufungsinstanz entschied nun jedoch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 14. August 2024 – 14 SLa 303/24, noch nicht veröffentlicht), dass die Tarifvertragsparteien  den Bezug von Entgelt an mindestens einem Tag als Anspruchsvoraussetzung für den Inflationsausgleich festlegen dürfen. Weil das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit – ausgenommen die Teilzeittätigkeit – ruht, erfüllte die hier betroffene Arbeitnehmerin diese Voraussetzung nicht und hatte deshalb auch keinen Entgeltanspruch.

Das Landesarbeitsgericht ließ die Revision zu - daher darf man gespannt warten, ob sich letztendlich auch noch das BAG mit dieser Frage beschäftigen wird.

Die Tarifverträge zur Inflationsausgleichsprämie im AG-VPK sehen im Übrigen eine Regelung vor, die -ähnlich wie im hier vorliegenden Ausgangsfall- ebenfalls den Anspruch auf Arbeitsentgelt zur Voraussetzung für die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie machen. Ein Anspruch auf Zahlung der Inflationsausgleichsprämie besteht  deshalb auch in den Tarifverträgen des AGVPK nicht in der Elternzeit. Betroffenen Einrichtungen wird aber empfohlen, aus Sicherheitsgründen eine entsprechende Rückstellung zu kalkulieren und selbstverständlich auch im Entgelt zu berücksichtigen für den Fall, dass das BAG die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kippen sollte.

26.08.24 MdC

 

 

 

BFH zur Steuerfreiheit von Nachtzuschlägen

In dem jetzt erst veröffentlichten Urteil vom 11.04.2024 (Az. VI R 1/22) setzt sich der BFH mit der Steuerfreiheit von Nachtzuschlägen auseinander.

In den Leitsätzen heißt es dazu:

1. Die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Bereitschaftsdienste, die außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit erbracht und gesondert vergütet werden, bemisst sich nach dem Arbeitslohn für die regelmäßige Arbeitszeit und nicht nach dem Bereitschaftsdienstentgelt (entgegen Senatsurteil vom 27.08.2002 - VI R 64/96, BFHE 200, 240, BStBl II 2002, 883).

2. Nicht erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer für die zuschlagsbewehrte Tätigkeit neben den Erschwerniszuschlägen einen Anspruch auf Grundlohn hat.

 

Die Entscheidung betrifft direkt eine Einrichtung der Jugendhilfe, die sich bei der Vergütung (soweit ersichtlich) von Nachtzuschlägen am TVöD orientiert. Nun bemisst der TVöD Nachtzuschläge nach einem fiktiven Lohn, der nicht dem Bereitschaftsdienstentgelt entspricht sondern weitgehend dem normalen Tabellenentgelt. Zu Lasten der Sozialversicherer werden deshalb im TVöD die Zuschläge anders berechnet als in Tarifverträgen, die Nachtzuschläge auf den Grundlohn berechnen.

Ob diese Entscheidung tatsächlich rein juristischer Methodik unterlag sei dahingestellt. Wäre die Entscheidung anders ausgefallen, dann wären auf die Kommunen sicherlich sehr deutliche Forderungen zugekommen. Die Sozialversicherer werden hier nun das Nachsehen haben.

Für die Gestaltung von Anreizsystemen in Tarifverträgen öffnet das Urteil jetzt sehr weit alle Türen und Tore. Wir werden dranbleiben.

29.07.2024 MdC

PS.: Das Urteil hätte eine ausführlichere Besprechung verdient, die aber schon Fachkollegen von Juris vorgenommen haben

Abgrenzung Rufbereitschaft und Bereitschaft

Wie schwierig die Abgrenzung zwischen Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst ist zeigt erneut eine aktuelle Gerichtsentscheidung, diesmal das Urteil des LAG Düsseldorf v. 16.04.24 (Az 3 SLa 10/24), in dem es um Notdienste eines Kundendiensttechnikers ging.

In den Leitsätzen heißt es dazu:

1. Notdienste eines Kundendiensttechnikers, die dadurch gekennzeichnet sind, dass er sich an einem frei wählbaren Ort aufhalten kann, aber telefonisch erreichbar sein und zu einem Notdiensteinsatz binnen einer Stunde am Einsatzort eintreffen muss, wenn er angefordert wird, sind Rufbereitschaftsdienste und keine Bereitschaftsdienste, wenn unter Berücksichtigung der Anfahrtszeit noch jedenfalls 30 Minuten Zeit verbleiben, bis der Arbeitnehmer aufbrechen muss. Das gilt jedenfalls dann, wenn eine tatsächliche Anforderung im Notdienst äußerst selten vorkommt - im vorliegenden Fall lediglich in einem Umfang von 0,67% der Gesamt-Notdienstbereitschaftszeit..

2. Liegt arbeitsschutzrechtlich Rufbereitschaft und kein Bereitschaftsdienst vor, handelt es sich um Ruhezeit im Sinne von § 5 ArbZG. Der vergütungsrechtliche Arbeitszeitbegriff folgt hier dem arbeitsschutzrechtlichen, so dass - soweit keine gesonderte Regelung im Arbeitsvertrag, in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen zur Anwendung gelangt - keine Vergütungspflicht besteht. Ausgenommen hiervon sind die Zeiten tatsächlicher Arbeitsleistung im Rahmen der Aktivierung aus dem Notdienst heraus, die als Vollarbeit zu vergüten sind.

3. Auch das Mindestlohngesetz knüpft an geleistete Zeitstunden an und mithin an den vergütungsrechtlichen Arbeitszeitbegriff. Arbeitsschutzrechtliche Ruhezeit ist weder arbeitsschutz-noch vergütungsrechtlich Arbeitszeit und begründet daher auch keine Mindestlohnansprüche.

Die Entscheidung schließt an bisherige REchtsprechung an und wird deshalb nicht gesondert kommentiert.

 

29.07.24 MdC

Kontakt

Arbeitgeberverband privater Träger
der K
inder- und Jugendhilfe e.V.

Nikolaiwall 3

27283 Verden

Tel 04231 - 95 18 412

Mail: info@ag-vpk.de

Internet: www.ag-vpk.de

 

Kontaktformular

agv logo white

 

 

 

 

 

    gew logo white

HINWEIS! Diese Seite verwendet Cookies. Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.