Rechtsprechung

Bereitschaft oder Rufbereitschaft

Ob ein Bereitschaftsdienst als  Arbeitszeit ("echte" Bereitschaft) oder als Rufbereitschaft (und damit arbeitszeitrechtlich als Ruhezeit)  bewertet wird, hängt von der Gesamtbeurteilung aller Umstände des Einzelfalls ab. . Eine Bewertung als Arbeitszeit bzw. echte Bereitschaftszeit  setzt voraus, dass ein Arbeitnehmender  so großen Einschränkungen unterworfen ist, dass sie seine Möglichkeit, die Zeit, in der während der Bereitschaftszeiten seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen.

Diese Entscheidng des OVG Bremen (Beschluss vom 7.April 2025 , Az: 2 LA 52/24) schließt nahtlos an die bestehende Rechtsprechung an und muss daher nicht weiter besprochen werden.

Ähnlich hatte es bereits das LArbG Niedersachsen mit Urteil v. Urt. v. 06.12.2023 (Az.: 2 Sa 142/23) entschieden; auf Grund der besseren Zusammenfassung wird daher auf das niedersächsische Urteil verwiesen.

 

3.06.2025 MdC

 

Phantomlohn - aktuelle BSG Entscheidung

 

Das Bundessozialgericht hat mit Urteil v. 12.12.2024 (Az B 12 BA 5/22 R) entschieden, dass Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit auch dann sozialversicherungspflichtig sind, wenn sie während urlaubs- oder krankheitsbedingter Abwesenheit der Beschäftigten nicht gezahlt werden. Ein Unternehmen hatte im hier entschiedenen Fall erfolglos gegen die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen gewehrt, die im Rahmen einer Betriebsprüfung festgesetzt worden waren. Die Entscheidung war allerdings auch vorhersehbar, da sie sich an die bisherige Rechtsprechung nahtlos anschließt. Zwar sind bestimmte Zuschläge (wie z.B. Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge) grundsätzlich steuerfrei und damit i.d.R. auch beitragsfrei, aber dies gilt nur, wenn sie für tatsächlich geleistet Arbeit anfallen.  Dies ist im Urlaubs- und Krankheitsfall nicht der Fall. Da der Arbeitgeber in diesen Fällen jedoch trotzdem indirekt die Zuschläge weiterzahlen muss, werden auf die Zuschläge im Krankheits- und Urlaubsfall sowohl Sozialversicherungsbeiträge erhoben als auch Lohnsteuer abgeführt. Wir haben auf diese Konstellation schon in unterschiedlichen Seminaren hingewiesen, daher dürfte es unsere Mitgliedseinrichtungen i.d.R. nicht treffen.

 

3.06.2025 MdC

 

 

 

 

Vergütung von Arbeitsbereitschaft im Tarif des DW

Wie schwierig tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit sein können, das zeigt eine aktuelle Entscheidung  des Bundesarbeitsgerichts vom 21. November 2024, die sich mit der Vergütung von Arbeitsstunden, Überstunden und Wechselschichtzulagen im Kontext eines Arbeitsverhältnisses im Rettungsdienst im Geltungsbereich der AVR eines Diakonisches Werkes beschäftigt. 

Das BAG kam zu dem Ergebnis, dass wenn ein Arbeitgeber die bei ihm geltenden kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien mit einer uneingeschränkten Bezugnahmeklausel in das Arbeitsverhältnis einbezieht, nach außen erkennbar wird, dass das Arbeitsverhältnis umfassend nach diesen Regelungen gestaltet werden soll. In diesem Fall bedürfe es für die Annahme, mit weiteren Regelungen des Arbeitsvertrags solle eine - konstitutive - Besser- oder Schlechterstellung gegenüber diesen AVR vereinbart werden, besonderer Anhaltspunkte.
Maßgeblich ging es dann aber um die Frage der Vergütung von Arbeitsbereitschaft. Die hier einbezogenen AVR des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-Oberlausitz unterscheiden nach Auffassung des BAG vergütungsrechtlich nicht zwischen Vollarbeit und Arbeitsbereitschaft.Der klagende Rettungsassistent argumentierte daher erfolgreich, dass seine in Form von Arbeitsbereistchaft geleisteten Mehrarbeitsstunden voll vergütet werden müssten.

Eine unterschiedliche Vergütung von Vollarbeit und Arbeitsbereitschaft sei nach Auffassung des BAG zwar möglich, doch hätte dies in den AVR auch konkret geregelt werden müssen.

Das Urteil zeigt einmal mehr, wie wichtig Vergütungsregelungen für unterschiedliche Formen von Arbeitszeit sind. Dies gilt im Übrigen auch nicht nur für Tarifverträge und AVR, sondern für jedes Arbeitsverhältnis. Nicht tarifgebundene Arbeitgeber sollten daher immer darauf achten, Bereitschaftszeiten, Arbeitsbereitschaften und Rufbereitschaften zu unterscheiden und differenzierte Vergütungsregelungen zu treffen.

3.06.2025 MdC

Probezeitkündigung während der Arbeitsunfähigkeit

Probezeitkündigung während der Arbeitsunfähigkeit – Geht das?

Es ist bekannt, dass die Probezeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses eine "besondere Zeit" ist. Sie dient dazu, dass beide Seiten sich gegenseitig "beschnuppern" sollen. Auf Seiten des Arbeitgebers bedeutet dies v.a., dass er/sie sich mittels einer Kündigung mit einer üblichen Frist von 14 Tagen vom Arbeitsvertrag lösen kann, ohne dass für die Kündigung ein Grund vorliegen muss. 

Das ist aber nur der Grundsatz und der ist auch soweit klar. Spannend sind allerdings diejenigen Fälle, die die sog. Ausnahme vom jeweiligen Grundsatz bilden. So hatten das Arbeitsgericht Frankfurt Am Main in 1. Instanz und das LAG Hessen in 2. Instanz zu entscheiden, ob eine Probezeitkündigung während der Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers ein Maßregelverbot nach § 612a BGB darstellt und die Kündigung damit unwirksam ist.

(LAG Hessen v. 28.3.2025 - 10 SLa 916/24)

Was war geschehen?

In dem Kündigungsverfahren wollte ein Arbeitnehmer vom Gericht festgestellt wissen, dass eine Probezeitkündigung während einer Arbeitsunfähigkeitserkrankung ein Maßregelverbot nach § 612a BGB darstelle und die Kündigung damit unwirksam sei. 

Klar ist, dass wegen der Wartezeit nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG), die Schutzvorschriften des KSchG nicht gelten. Eine Unwirksamkeit kann allerdings i.Ü. immer dann vorliegen, wenn die Kündigung gegen geltendes Gesetz verstößt. Hier kommt ein möglicher Verstoß gegen § 612a BGB, dem sog. Maßregelverbot, in Betracht.  Das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB besagt -verkürzt gesagt-, dass ein Arbeitnehmer vor Sanktionen des Arbeitgebers immer dann zu schützen ist, wenn dieser seine Rechte in zulässiger Weise ausübt. Vorliegend war der Arbeitnehmer der Ansicht, die Kündigung verstoße gegen das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB, weil dieser sein Recht auf bezahlte Freistellung wegen Arbeitsunfähigkeit ausübe und sein Arbeitgeber ihn deswegen mit der ausgesprochenen Kündigung sanktioniere.  

Die Entscheidung

Mit Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BAG stellt das LAG Hessen klar, das ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB vorliegen könnte, wenn ein Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt, da er damit sein Recht geltend macht, nicht zur Arbeit erscheinen zu müssen und der Arbeitgeber ihm daraufhin kündigt, um sich der Lohnfortzahlung wegen Krankheit zu entziehen (BAG v. 20.5.2021 - 2 AZR 560/20).

Diesen Umstand haben die beiden Instanzen hier nicht festgestellt. Es fehle der erkennbare Kündigungswille des Arbeitgebers, um sich von der Lohnfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit zu befreien. Hierfür seien zu wenige Anhaltspunkte ersichtlich gewesen, so die Richter.

23.05.2025 O.K.

Kündigung per Einwurfeinschreiben erfolglos

Mit Urteil vom 30. Januar 2025 – 2 AZR 68/24 hat das BAG sich noch einmal mit der Zustellung einer Kündigung per Einwurfeinschreiben befasst. Die Anforderungen an den Nachweis des Zugangs sind hoch.

Bei einfachen Briefen besteht kein Anscheinsbeweis für den Zugang der Sendung. Auch die Vorlage des Einlieferungsbelegs eines Einwurf-Einschreibens begründet nach Auffassung des BAG keinen Anscheinsbeweis für den Zugang der Sendung beim gewollten Empfänger des Einwurf-Einschreibens. Der Ausdruck des online abgerufenen Sendungsstatus, auf dem dieselbe Sendungsnummer wie auf dem Einlieferungsbeleg sowie das Zustelldatum vermerkt sind, bietet ebenfalls keine ausreichende Gewähr für einen Zugang.

Der Nachweis der Zustellung ist damit für Arbeitgeber stark erschwert. Es bietet sich deshalb immer die persönliche Übergabe gegen Empfangsbekenntnis an oder der persönliche Einwurf unter Zeugen, am besten dokumentiert. Zumindest sollte man ´, wenn man dennoch das Einschreiben wählt,  die Reproduktion des Auslieferungsbelegs  bei der Post anfordern.

 

Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz

Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergibt sich regelmäßig kein Anspruch auf eine höhere Vergütung, wenn die Arbeitgeberin später eingestellten, mit gleichen Aufgaben betrauten Arbeitnehmern ein deutlich höheres Gehalt zahlt als einem zuvor eingestellten Arbeitnehmer, insbesondere dann nicht, wenn die neu eingestellten Arbeitnehmer über höherwertigere Berufsabschlüsse oder größere Berufserfahrung verfügen.

Landesarbeitsgericht MVP, 28.01.2025, AZ 5 SLa 159/24

Annahmeverzugslohn und fristlose Kündigung

Der Arbeitgeber, der ein Arbeitsverhältnis verhaltsbedingt  fristlos aus wichtigem Grund nach § 626 Abs. 1 BGB kündigt, gibt zu erkennen, dass ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht länger zumutbar ist. Sofern der Arbeitgeber trotzdem sein Annahmeverzugslohnrisiko durch das Angebot einer Prozessbeschäftigung mindern, muss er dem/der  Arbeitnehmerin  diese aber in jedem Fall anbieten.

Die Zumutbarkeit für den Arbeitnehmer hängt dann aber  in erster Linie von der Art der Kündigung und ihrer Begründung sowie dem Verhalten des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess ab.

Wird eine Kündigung auf verhaltensbedingte Gründe gestützt, spricht dieser Umstand eher für die Unzumutbarkeit der vorläufigen Weiterarbeit für den Arbeitnehmer im Betrieb.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. Januar 2025 – 5 AZR 135/24

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