Rechtsprechung

Noch einmal: Aufzeichnungspflicht von Arbeitsstunden

Zur Aufzeichnungspflicht von Arbeitsstunden hatten wir hier erst vor ein paar Tagen berichtet. Nun hat auch die Fachgruppe Arbeitsrecht der Neuen Richtervereinigung (NRV) zu den aktuellen Auswirkungen der Entscheidung des EuGH zu Arbeitszeitaufzeichnungen Stellungnahme.

Unter anderem stellte sich die Frage, ob schon jetzt vor einem Tätigwerden des Gesetzgebers Betriebsräte oder Arbeitnehmer sich auf eine Pflicht des Arbeitgebers berufen könnten, ein System der Arbeitszeitaufzeichnung einzuführen. Nach Auffassung der Richtervereinigung spreche dafür, dass hinsichtlich des Urlaubsrechts wegen der Verankerung in Art 31 Abs. 2 GRCh eine solche horizontale Wirkung zwischen Privatpersonen angenommen werde. Die hier relevanten Arbeitsschutzbestimmungen seien im gleichen Grundrecht angesiedelt. Daher habe auch der Generalanwalt angenommen, dass eine solche horizontale Wirkung bestehe.

Des Weiteren wies die Richtervereinigung darauf hin, dass der EuGH die Aufgabenstellung der zuständigen Kontrollbehörden noch einmal betont hat. Die tatsächliche Kontrolldichte liege aber nach Auskunft der Bundesregierung nur zwischen 0,5% und 3,4% jährlich. Eine effektive Behördentätigkeit werde man hierin nicht erblicken können.

Es wird aus unserer Sicht voraussichtlich zu einer Stärkung der Kontrollbehörden in den Bundesländern kommen (meist sind dies die Gewerbeaufsichtsämter bzw. Ämter für Arbeitsschutz etc.).

Beschäftigungspflicht von Schwerbehinderten

Im bestehenden Arbeitsverhältnis können Schwerbehinderte von ihrem Arbeitgeber bis zur Grenze der Zumutbarkeit die Durchführung des Arbeitsverhältnisses entsprechend ihrer gesundheitlichen Situation verlangen. Eine Beschäftigungsgarantie ergibt sich daraus allerdings nicht, da der Arbeitgeber durchaus eine unternehmerische Entscheidung treffen kann, welche den bisherigen Arbeitsplatz wegfallen lässt. Der Beschäftigungsanspruch ist dann erst wieder hinsichtlich möglicher Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf einem anderen freien Arbeitsplatz zu berücksichtigen.

Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

Wir hatten erst kürzlich über das neue Urteil des EuGH hinsichtlich der Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung berichtet.

Die Konsequenzen daraus sind noch nicht ganz klar. Während einige Kommentatoren davon ausgehen, dass das Urteil keine Auswirkungen auf private Arbeitgeber hat (z.B. bei Hensche), sehen andere Kommentatoren (z.B. bei juris)  das Urteil kritischer und gehen davon aus, dass Arbeitgeber bereits JETZT verpflichtet sind, entsprechende Aufzeichnungen zu führen.

Hintergrund ist, dass europäische Richtlinien (so wie in diesem Fall die europäische Arbeitszeitrichtlinie) zwar vom nationalen Gesetzgeber umgesetzt werden müssen, aber bis zu diesem Zeitpunkt nicht für private Arbeitgeber gelten. Hier liegt der Fall aber auch unseres Erachtens anders, da die Begrenzung der Arbeitszeit ein europäisches Grundrecht ist, welches in Art. 31 GrCh (Grundrechtecharta) verankert ist.

Wir schließen uns daher der Auffassung von juris an, derzufolge Art. 31 Abs. 2 GRCh individuelle Rechte begründet, die nach Art. 47 Abs. 1 GRCh i.V.m. Art. 51 Abs. 1 GRCh aufgrund der sekundärrechtlichen Präzisierung vor jedem nationalen Gericht geltend gemacht werden können. Beschäftigte können daher vom Arbeitgeber verlangen, dass er nach § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen ein die Mindestanforderungen erfüllendes System festlegt.

 

EuGH zur Erfassung von Arbeitszeiten

Der EuGH hat heute ein wichtiges Urteil zur Erfassung der Arbeitszeit von Arbeitnehmern gefällt. Demnach ist eine nationale Regelung, die nach ihrer Auslegung durch die nationalen Gerichte die Arbeitgeber nicht verpflichtet, ein System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann, unvereinbar mit der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie und der Richtlinie über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer.

Die vorläufige Fassung des Urteils wurde bereits heute veröffentlicht und kann als pdf hier heruntergeladen werden.

Mit den möglichen Auswirkungen werden wir uns in den kommenden Tagen beschäftigen und dann weiter berichten.

 

Anm. v. 21.05.2019: Auf Grund der zahlreichen Kommentierung in Rundfunk und Fernsehen sowie der einschlägigen Rechtsdatenbanken verzichten wir hier vorerst auf eine weitere Auseinandersetzung mit dem Urteil. Eine gute Übersicht findet sich hier.

 

Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zum ArbZG

Das Bundesverwaltungsgericht hat gestern eine Entscheidung zu § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG getroffen (Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz für häusliche Gemeinschaften).

Diese Ausnahmevorschrift setzt nach dem BVerwG unter anderem voraus, dass die betroffenen Arbeitnehmer in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben. Dazu ist ein gemeinsames Wohnen und Wirtschaften auf längere Zeit erforderlich, das auf personelle Kontinuität sowie nahezu permanente Verfügbarkeit des Arbeitnehmers angelegt und davon geprägt ist, dass sich Arbeits- und Ruhezeiten nicht voneinander trennen lassen. Dieses Verständnis des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG steht im Einklang mit dem Unionsrecht, namentlich der Richtlinie 2003/88/EG. Gemessen daran stellt das von der Klägerin praktizierte Modell kein Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft dar.

Der Kläger betreibt sog. "WaB-Gruppen", in denen sich mehrere Erzieher im Rahmen einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung abgewechselt haben und jeweils wochenweise in der Gruppe "gelebt" haben.

Der Volltext des Urteils liegt noch nicht vor, aber schon eine Pressemitteilung.

Hier noch einmal zum Nachlesen die Entscheidungen der Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 1 B 19.15 - Urteil vom 29. November 2017 -

VG Berlin, 14 K 184.14 - Urteil vom 24. März 2015 -

 

Anmerkung vom 17.08.2019:

Jetzt liegt auch der Volltext des BVerwG vor.

MdC

 

Gestaltungsmöglichkeiten in Tarifverträgen

In Tarifverträgen können viele Regelungen getroffen werden, die von gesetzlichen Regelungen abweichen. In zwei aktuellen Verfahren hat sich das BAG damit beschäftigen müssen.

Im ersten Verfahren ging es um die Berechnung des Urlaubsentgeltes. Zwar können Tarifvertragsparteien vom BUrlG abweichende Regelungen treffen, doch dies gilt nicht, wenn durch solche Regelungen die zu erbringenden Wochenarbeitsstunden unberücksichtigt blieben, die  über die vereinbarte Wochenarbeitszeit hinausgehen. Die Tarifvertragsparteien können jedoch jede Berechnungsmethode wählen, die geeignet ist, ein Urlaubsentgelt sicherzustellen, wie es der Arbeitnehmer bei Weiterarbeit ohne Freistellung voraussichtlich hätte erwarten können.

Im zweiten Verfahren ging es um eine tarifvertragliche Bestimmung, nach der ein Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge erst besteht, wenn die für eine Vollzeittätigkeit maßgebliche Stundenzahl überschritten wird. Eine solche Regelung verstößt gegen § 4 Abs. 1 TzBfG.

 

Rechtsprechung zur sachgrundlosen Befristung

Das LArbG Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass dann, wenn ein mit einem anderen Arbeitgeber rechtlich und tatsächlich verbundener Arbeitgeber mit einem zuvor bei dem anderen Arbeitgeber befristet beschäftigten Arbeitnehmer einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag abschließt, es sich um eine rechtsmissbräuchliche Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen zur sachgrundlosen Befristung handeln kann.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts des Bundesarbeitsgerichts kann die Drittmittelfinanzierung als sonstiger Sachgrund die Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG rechtfertigen.

Ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG vor, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Das BAG konkretisierte die Regelung hier in einem Verfahren, in dem es um die Beschäftigung eines Entwicklungshelfers ging.

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27283 Verden

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