EuGH zur Rufbereitschaft

Der EuGH hat sich in seinem gestrigen Urteil (EuGH Urteil v. 09.03.21 - C‑580/19) mit der Frage beschäftigt, wie sich Rufbereitschaft und Bereitschaftszeit voneinander unterscheiden.

Nach Auffassung des EugH ist Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (…) dahin auszulegen, dass Bereitschaftszeit in Form von Rufbereitschaft, während der ein Arbeitnehmer in der Lage sein muss, innerhalb von 20 Minuten in Einsatzkleidung mit dem ihm von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Einsatzfahrzeug unter Inanspruchnahme der für dieses Fahrzeug geltenden Sonderrechte gegenüber der Straßenverkehrsordnung und Wegerechte die Stadtgrenze seiner Dienststelle zu erreichen, nur dann in vollem Umfang „Arbeitszeit“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn eine Gesamtbeurteilung aller Umstände des Einzelfalls, zu denen die Folgen einer solchen Zeitvorgabe und gegebenenfalls die durchschnittliche Häufigkeit von Einsätzen während der Bereitschaftszeit gehören, ergibt, dass die dem Arbeitnehmer während der Bereitschaftszeit auferlegten Einschränkungen von solcher Art sind, dass sie seine Möglichkeiten, dann die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen.

Nach unserer Rechtsauffassung schließt sich das Urteil konsequent der bisherigen Rechtsprechung an und entspricht im Grunde genommen auch der bisherigen nationalen Rechtsprechung. Klar ist, dass eine Rufbereitschaft nicht so ausgestaltet werden kann, dass der/die Arbeitnehmer/-in in einer sehr kurzen Zeit am Dienstort sein muss. Eine solche Verkürzung der "Einsatzbereitschaftszeit" führt dazu, dass es sich nicht mehr um eine Rufbereitschaft, sondern um arbeitszeitrechtlich zu berücksichtigende Bereitschaftszeit handelt.

Während die reine Rufbereitschaft keine Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinn darstellt, wird Bereitschaftszeit (arbeitsschutzrechtlich) als Arbeitszeit gezählt.

Dass der EuGH bei der Frage, ob Rufbereitschaft oder Bereitschaftszeit vorliegt, auf eine "Gesamtbeurteilung aller Umstände des Einzelfalls" abstellt, ist auch nicht neu, erschwert aber die Beurteilung in der Praxis. Neben der "Einsatzbereitschaftszeit" stellt der EuGH auch auf die Häufigkeit der Inanspruchnahmen ab - eine Beurteilung, die nach einer Entscheidung des BVerwG zumindest im deutschen Recht so noch nicht Einzug gefunden hat(-te).

Konsequent und zielführend ist dagegen, auch die dem/der Arbeitnehmer/-in auferlegten Einschränkungen zu berücksichtigen. Sofern während einer "Rufbereitschaft" die Möglichkeiten zur Wahrnehmung eigener Interessen derart eingeschränkt werden, dass diese kaum noch möglich sind, liegt daher i.d.R. wohl eher ein Bereitschaftsdienst vor.

Eine konkrete Festlegung des Aufenthaltsortes hat der EuGH dagegen nur als Indiz gewertet. Dies wird sicher daran liegen, dass in einem weiteren Verfahren zur Rufbereitschaft, auf das hier aber nicht eingegangen werden soll, bereits die objektiven Möglichkeiten zur freien Aufenthaltswahl nicht gegeben waren.

 10.03.2021 MdC

Kontakt

Arbeitgeberverband privater Träger
der K
inder- und Jugendhilfe e.V.

Nikolaiwall 3

27283 Verden

Tel 04231 - 95 18 412

Mail: info@ag-vpk.de

Internet: www.ag-vpk.de

 

Kontaktformular

agv logo white

 

 

 

 

 

    gew logo white

HINWEIS! Diese Seite verwendet Cookies. Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.