Da Bereitschaftszeiten arbeitsschutzrechtlich Arbeitszeit i.S.d. Arbeitszeitgesetzes sind, werden in der Praxis der Jugendhilfe von nicht tarifgebundenen Einrichtungen häufiger Versuche unternommen, eine Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit (einschließlich der Bereitschaftszeiten!) über 48 Stunden hinaus durch die Bezugnahme auf Tarifverträge zu erreichen. Die Versuche werden in 2 Varianten unternommen:
1. Verweis auf den Tarifvertrag öffentlicher Dienst im Ganzen oder zumindest auf einzelne Regelungen (in diesem Fall Arbeitszeit) gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 / Satz 2 ArbZG
2. Verweis auf den Tarifvertrag öffentlicher Dienst gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 ArbZG
Beide Versuche sind indes zum Scheitern verurteilt, da eine Bezugnahme auf die Arbeitszeitregelungen des öffentlichen Dienstes in der ersten Variante bereits deshalb misslingt, da private Träger der Kinder- und Jugendhilfe nicht Mitglied im Arbeitgeberverband VKA werden können und somit bereits der Geltungsbereich der tarifvertraglichen Regelungen nicht gegeben ist. Zum fehlenden Geltungsbereich hatte das BAG dazu bereits in einem Urteil aus 2011 (BAG 3 AZR 154/09 v. 19.04.2011, allerdings nicht zur Arbeitszeit sondern zum BetrAVG) ausgeführt: "Der TVöD gilt jedoch nach § 1 nur für Beschäftigte, die in einem Arbeitsverhältnis zum Bund oder zu einem Arbeitgeber stehen, der Mitglied eines Mitgliedsverbandes der VKA ist. Um einen solchen Arbeitgeber handelt es sich bei dem Bekl. nicht. Der Bekl. hat nach § 3 der Satzung des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Bayern nicht die Möglichkeit, Mitglied in diesem Verband zu werden."
Insofern scheitern Bezugnahmen der ersten Variante bereits am fehlenden Geltungsbereich. Unabhängig davon stehen bestimmte Arbeitszeitregelungen des TVöD unter dem Vorbehalt einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung, so dass für betriebsratslose Unternehmen eine Bezugnahme auf solche Regelungen ohnehin nicht möglich ist.
Die Variante 2 war dagegen jüngst Inhalt der Entscheidung des BAG vom 20.11.2018 - 9 AZR 327/18. Hier hatte eine Unternehmen des Rettungsdienstes eine Verlängerung der Arbeitszeit auf Grundlage des § 7 Abs. 3 Satz 3 ArbZG versucht. Das BAG stellte hier allerdings klar, dass öffentliche Zuwendungen nun einmal etwas anderes sind als Entgelte: "Zuwendungen iSv. § 7 Abs. 3 Satz 3 ArbZG können somit nicht aufgrund gegenseitiger Verträge, in denen die Erbringung von Leistungen gegen Entgelt vereinbart wird, gewährt werden". Insofern scheidet eine solche Variante auch für Jugendhilfeträger aus, da Leistungsentgelte gemäß §§ 78 a ff. SGB VIII keine Zuwendungen im Sinne des Haushaltsrechts sind.
Auch hier muss unabhängig davon noch gesagt werden, dass eine Bezugnahme gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 ArbZG ohnehin keine Verlängerung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit über 48 Stunden hinaus ermöglicht hätte, da diese Regelung unter die Begrenzung von § 7 Abs. 8 ArbZG fällt.
Es bleibt daher dabei, dass eine Ausweitung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit über 48 Stunden hinaus nur auf Grund eines Tarifvertrages möglich ist, dessen Geltungsbereich für die privaten Träger der Kinder- und Jugendhilfe geschaffen worden ist - so wie der Tarifvertrag des AGVPK.
28.02.2019 MdC