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Corona-Erschwerniszulage und Gleichbehandlungsgrundsatz

Auch wenn das Urteil nur erstinstanzlich ist, war es uns doch berücksichtigungswert: Das ArbG Karlsruhe hat in seiner Entscheidung vom 8.12.2021 (Az 9 Ca 238/21) zum Gleichbehandlungsgrundsatz und zur (hier verneinten) Corona-Erschwerniszulage im Bereich des TVöD geurteilt. In den Leitsaätzen heisst es:

"1.Hauswirtschaftliche Arbeiten unter der Gefahr einer Ansteckung mit dem Corona-Virus begründen dann keinen Anspruch auf eine Erschwerniszulage aus § 19 Abs. 1 Satz 1 TVöD, wenn entsprechend § 19 Abs. 3 TVöD der Ansteckungsgefahr mit dem Tragen einer FFP2-Maske Rechnung getragen wird.

2. Allein das Tragen einer FFP2-Maske bei der Verrichtung hauswirtschaftlicher Arbeiten ist keine außergewöhnliche Erschwernis im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 TVöD, sodass dafür kein Anspruch auf eine Erschwerniszulage nach § 19 Abs. 1 Satz 1 TVöD besteht.

3. Ein Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz besteht dann nicht, wenn Beschäftigte zwar dieselbe Arbeit verrichten, dies aber für Arbeitgeber aus verschiedenen Branchen tun, die unterschiedliche Tarifverträge mit andersartigen Vergütungssystemen anwenden."

 

 

 

 

Geringfügig Beschäftigte: Kein Anspruch auf Annahmeverzugslohn bei Lock-Down im Betrieb durch Allgemeinverfügung

Geringfügig Beschäftigte (derzeit: 450-Euro-Basis) haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Fraglich war allerdings, ob solch ein Arbeitnehmer Anspruch auf Annahmeverzugslohn hat, wenn der Arbeitgeber seinen Betrieb auf Grund einer behördlichen Allgemeinverfügung wegen der COVID-19-Pandemie vorübergehend schließen muss. Diese Frage hat nun der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 13.10.2021 - 5 AZR 211/21 abschließend geklärt und die Klage des Arbeitnehmers abgewiesen.

 

Was war geschehen?

Der Arbeitnehmer war beim Arbeitgeber auf geringfügiger Basis beschäftigt. Dieser betreibt seinerseits einen Nähmaschinen-und-Zubehör-Handel. Wegen der Corona Pandemie erlies die Freie Hansestadt Bremen im April 2020 die „Allgemeinverfügung über das Verbot von Veranstaltungen, Zusammenkünften und der Öffnung bestimmter Betriebe zur Eindämmung des Coronavirus“. Von dieser Verfügung war auch der Betrieb des Arbeitgebers betroffen. So musste er seinen Betrieb bis einschließlich zum 23.03.2020 schließen.  Für diese Zeit erhielt der Arbeitnehmer weder ein Arbeitsentgelt noch Kurzarbeiterlohn. Infolgedessen klagte er seinen Arbeitslohn in Form des Annahmeverzugslohns mit der Begründung ein, dass der Arbeitgeber das Betriebsrisiko für die behördliche Schließungsverfügung trage.

Die ersten beiden Instanzen gaben dem Arbeitnehmer Recht. Der 5. Senat gab der Revision des Arbeitgebers statt und hob das Urteil des LAG Bremen auf.  

 

Urteilsgründe

Die obersten Richter stellten auf den weiten Personenkreis der Allgemeinverfügung ab und argumentierten, dass der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls nicht trage, wenn durch behördliche Anordnung zum Schutze der Bevölkerung vor dem schweren und tödlichen Verlauf der Pandemie die sozialen Kontakte minimiert werden sollen. Der Arbeitgeber sei nicht konkret als einziger betroffen, sondern eine Vielzahl von Personenkreisen, sodass der Grundsatz des Betriebsrisikos im vorliegenden Fall nicht greife.

Eine Frage bleibt

Ob dieser Grundsatz auch dann gilt, wenn durch behördliche Anordnung ein konkreter Betrieb geschlossen wird, ließ das BAG unbeantwortet. Insoweit bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung des BAG zur Corona-Pandemie und Annahmeverzugslohn entwickeln wird.

 

Sozialversicherungsrechtliche Lücke

Dieses Ergebnis ist die konsequente Anwendung der Grundsätze des Annahmeverzugs und der Regelungen aus dem Sozialversicherungsrecht. Das Ergebnis zeigt aber auch, dass es eine Lücke im Sozialversicherungsrecht gibt, die nur vom Gesetzgeber geschlossen werden kann.

20.12.2021

OK

Nachtzuschläge

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat mit Urteil vom 19.10.21 (5 Sa 21/21) über die Höhe von Nachtzuschlägen entschieden. Im Leitsatz heisst es dazu:

"Im Tarifvertrag festgelegte Zuschläge für Nachtarbeit müssen nicht mindestens genauso hoch sein wie diejenigen, die von den Arbeitsgerichten im Falle fehlender tarifvertraglicher Ausgleichsregelungen einzelfallbezogen herangezogen werden. Eine tarifliche Regelung, nach der für Nachtarbeit von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr ein Zuschlag in Höhe von 15 % zu zahlen ist, verstößt weder gegen § 6 Abs. 5 ArbZG noch gegen die Richtlinie 2003/88/EG."

Dies entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung. Über tarifvertragliche Nachtzuschläge bei Nachtbereitschaften hatten wir bereits an anderer Stelle berichtet.

Impfpflicht für Mitarbeiter/-innen der Kinder- und Jugendhilfe?

Mit dem am 11.12.2021 im Bundesgesetzblatt verkündeten „Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie“ wurde für bestimmte Personengruppen eine Impfpflicht eingeführt.

Diese betrifft durch die Einfügung von § 20a im IfSG ab dem 15.03.2022 insbesondere Mitarbeiter/-innen  in medizinischen Einrichtungen, Behinderteneinrichtungen sowie der Pflege.

Was aber bedeutet das für die Kinder- und Jugendhilfe?

Neben dem medizinischen Personal kommt für Mitarbeiterinnen der Kinder- und Jugendhilfe insbesondere § 20a Abs. 1 Nr 2 IfSG  in Frage, der Personen aufführt, „… die in voll- oder teilstationären Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen oder in vergleichbaren Einrichtungen tätig sind“.

Nun werden in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe teilweise auch pflegebedürftige Kinder oder Jugendliche betreut, doch dürfte es sich hier in den meisten Fällen nicht um spezialisierte Pflegeeinrichtungen handeln, sondern um Einrichtungen, die auf Grund einer Einzelfallsituation auch den pflegerischen Bedarf mit abdecken. Nach unserer Auffassung sind solche Einrichtungen keine vergleichbaren Einrichtungen, da der Schwerpunkt der Tätigkeit ein ganz anderer ist.

Eine größere Nähe und möglicherweise daher „vergleichbare Einrichtungen“  könnten Einrichtungen sein, in denen Kinder bzw. Jugendliche mit (drohender) seelischer Behinderung gemäß § 35a SGB VIII betreut werden.

Ob hier die Impfpflicht einsetzt, ist fraglich. Zumindest vom Wortlaut der Vorschrift her könnte man darauf schließen, jedoch könnten zunächst Zweifel daran bestehen, ob der Gesetzgeber Kinder / Jugendliche mit (drohender) seelischer Behinderung dem Kreis der besonders vulnerablen und damit schützenswerten Personen zuordnen wollte. Wirft man einen Blick in die Gesetzesbegründung, so finden sich dort jedoch folgende Hinweise:

Auch vollstationäre Einrichtungen (z. B. betreute Wohngruppen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen) und teilstationäre Einrichtungen (z.B. Heilpädagogische Tagesstätten,  heilpädagogische Kitas) für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen zählen hierzu. Nicht erfasst werden hingegen Angebote des familienanalogen Wohnens sowie inklusive Kindertages­einrichtungen".

Der Gesetzgeber differenziert hier also nicht nach der Art der Behinderung, so dass spezialisierte Einrichtungen zur Betreuung von Kindern / Jugendlichen mit seelischer Behinderung durchaus in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen.

Wir müssen die Frage, weshalb man die „normale“ stationäre Kinder- und Jugendhilfe nicht gleich ebenfalls mitberücksichtigt hat, hier nicht beantworten. In Anbetracht der coronabedingten Krankheitsausfälle bei den Erzieherinnen und Erziehern hätte eine Klarstellung durch den Gesetzgeber gutgetan.

 Es dürfte sich aber ohnehin nur um eine vorübergehende Diskussion handeln, da die allgemeine Impfpflicht bereits in der Vorbereitung ist und schneller umgesetzt werden dürfte, als es der Mühe wert ist, sich mit dieser Übergangsregelung zu beschäftigen.

Für die konkrete Entscheidung, ob für eure individuelle Einrichtung eine Impfpflicht besteht, sollte in Zweifelsfällen das zuständige Gesundheitsamt kontaktiert werden, da dieses für die (spätere) Überwachung bzw. Umsetzung der Vorschrift vorgesehen ist. Beim Bundesgesundheitsministerium haben wir allerdings ebenfalls angefragt und werden berichten, sobald eine Antwort vorliegt.

 MdC 15.12.2021

Kurzarbeit-Null führt zur Reduzierung der Urlaubstage

Die COVID-19-Pandemie stellt das Arbeitsrecht vor zahlreichen neue Fragestellungen. Eine der brennenden Fragen war, ob und wie sich die sog. Kurzarbeit-"Null" auf den Urlaubsanspruch des einzelnen Arbeitnehmers auswirkt.

Auf Arbeitnehmerseite wurde diese Frage mit der Begründung verneint, dass die Situation bei Kurzarbeit-"Null" nicht mit der arbeitsfreien Zeit vergleichbar sei. Der Arbeitnehmer stehe bei Kurzarbeit-"Null" nämlich auf „Abruf“ bereit und müsse während dieser Zeit zur Arbeit erscheinen, wenn der Arbeitgeber kurzfristig Bedarf melde. Der Arbeitnehmer könne also nicht, wie in der arbeitsfreien Zeit, seine Freizeit frei gestalten.

Nunmehr hat der 9. Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 30.11.2021, Az. 9 AZR 225/21 die Klage einer Arbeitnehmerin aus Essen zu dieser Fragestellung endgültig abgewiesen.

 

Was war geschehen?

Die Klägerin ist bei der Beklagten, einem Bäckereibetrieb, als Verkaufshilfe beschäftigt. Arbeitsvertraglich ist eine Drei-Tage-Woche vereinbart. Demzufolge hat die Klägerin einen anteilsmäßigen Jahresurlaub von 14 Tagen. In den Monaten April, Mai und Oktober 2020 war die Arbeitnehmerin wegen der Corona-Pandemie vollständig von ihren arbeitsvertraglichen Pflichten befreit. In den Monaten November und Dezember 2020 hatte sie insgesamt an 5 Tagen gearbeitet.

Sodann erfolgte seitens der Beklagten eine Neuberechnung und Korrektur der Jahresurlaubstage der Klägerin. Die Urlaubstage wurden auf 11,5 Tage reduziert. Die Klägerin wehrte sich in allen drei Instanzen erfolglos gegen diese Neuberechnung.

Das Urteil

Die Richter des 9. Senats urteilten, dass die ausgefallenen Zeiten aufgrund der einzelvertraglich vereinbarten Kurzarbeit weder nach nationalem, noch nach Unionsrecht mit Zeiten der Arbeitspflicht vergleichbar seien. In einer weiteren Entscheidung (Urt. v. 30.11.2021, Az. 9 AZR 234/21) hat derselbe Senat für Recht erkannt, dass diese Grundsätze auch für wirksam abgeschlossene Betriebsvereinbarungen zur Kurzarbeit gelten.

 

01.12.2021

OK

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