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Sachgrundlose Befristung und Tarifvertragsrecht

Das Bundesarbeitsgericht hat bekanntlich seine Rechtsprechung zur sachgrundlosen Befristung geändert.  Während früher die Rechtsprechung eine erneute sachgrundlose Befristung zuließ, wenn ein vorangegangenes Arbeitsverhältnis zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien mehr als drei Jahre zurückgelegen hat, hält das BAG daran seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.06.2018 nicht mehr fest. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist eine erneute sachgrundlose Befristung nur zulässig, wenn eine Vorbeschäftigung „sehr lang” zurückliegt, „ganz anders” geartet oder „von sehr kurzer” Dauer war. Was dies nun konkret bedeutet, erschließt sich dem Anwender allerdings nicht.

Im einem nun entschiedenen Fall ging es allerdings darum, dass ein Tarifvertrag die Möglichkeit einer sachgrundlosen Beschäftigung bis zu 7 Jahren zugelassen hat. Das BAG hat mit Urteil vom 17.4.2019 (7 AZR 410/17) entschieden, dass Tarifvertragsparteien durch die in § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffnete Möglichkeit, die Höchstdauer der Befristung und die Anzahl der Vertragsverlängerungen abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG festzulegen,zwar nach dem Gesetzeswortlaut nicht eingeschränkt sind, aber dies gilt nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht völlig unbegrenzt. Vielmehr gebieten der systematische Gesamtzusammenhang sowie Sinn und Zweck des TzBfG, aber auch verfassungs- und unionsrechtliche Gründe eine immanente Beschränkung der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffneten Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien.

Die Grenze der tariflichen Regelungsbefugnis ist unter Berücksichtigung der Gesamtkonzeption von § 14 TzBfG und der unionsrechtlichen Vorgaben in der Richtlinie 1999/70/EG und der inkorporierten EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (Rahmenvereinbarung) sowie zur Gewährleistung eines Mindestbestandsschutzes für die betroffenen Arbeitnehmer und unter Beachtung der den Tarifvertragsparteien zustehenden Tarifautonomie bei der Festlegung der Dauer eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses auf maximal sechs Jahre und der höchstens neunmaligen Verlängerung bis zu dieser Gesamtdauer erreicht.

17.08.2019 MdC

Kündigung eines schwerbehinderten Mitarbeiters

Das BAG hat mit Urteil vom 16.5.2019 (AZ 6 AZR 329/1816.5.2019 (AZ 6 AZR 329/18) entschieden, dass ein Arbeitgeber bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs eine unternehmerische Entscheidung treffen darf, welche den bisherigen Arbeitsplatz eines schwerbehinderten Menschen durch eine Organisationsänderung entfallen lässt. Die in § 164 Abs. 4 SGB IX (bis 31. Dezember 2017: § 81 Abs. 4 SGB IX aF) vorgesehenen Ansprüche schwerbehinderter Menschen sind lediglich bei der Prüfung einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu berücksichtigen (Leitsatz).

§ 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX aF bzw. § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX verbieten dem Arbeitgeber dementsprechend nicht, eine unternehmerische Entscheidung zu treffen, welche das Beschäftigungsbedürfnis für einen schwerbehinderten Menschen entfallen lässt. Die Norm gewährt keinen absoluten Schutz vor einer betriebsbedingten Kündigung. Der gesetzliche Beschäftigungsanspruch hat vielmehr nur Bedeutung für die im Rahmen der allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzvorschriften zu prüfenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten.

Im hier entschiedenen Fall fiel der Beschäftigte unter das Kündigungsschutzgesetz. Etwas anderes hätte sich aber auch nicht in einem Kleinbetrieb ergeben. Findet der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (noch) keine Anwendung auf ein Arbeitsverhältnis, ist eine ordentliche Kündigung, die einen Arbeitnehmer wegen seiner Behinderung diskriminiert, nach § 134 BGB iVm. § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG unwirksam (vgl. BAG 23. Juli 2015 - 6 AZR 457/14 - Rn. 23, BAGE 152, 134; 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 14 ff., BAGE 147, 60). Bei der Prüfung von Kündigungen, die dem Kündigungsschutzgesetz unterfallen, sind die Diskriminierungsverbote des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes als Konkretisierungen der Sozialwidrigkeit zu beachten (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 36, BAGE 145, 296; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 34 ff., BAGE 128, 238). Auch einem schwerbehinderten Menschen kann daher wirksam gekündigt werden, wenn die Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse, die seiner Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.

MdC 17.08.2019

 

Alte Ausschlussklauseln können noch wirksam sein

Das BAG hat sich in einer jüngeren Entscheidung mit Ausschlussklauseln in sog. "Altverträgen" beschäftigt, d.h. Verträgen, die noch vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes abgeschlossen worden sind.

Solche Klauseln können, sofern sie nicht aus anderen Gründen unwirksam  sind, nach Inkrafttreten des MiLoG nicht unwirksam werden, weil sie den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausschließen. Hintergund ist, dass eine bei Vertragsschluss transparente Klausel nicht durch eine spätere Änderung der Rechtslage intransparent wird

 

MdC 15.08.2019

Und noch einmal zum Urlaubsrecht

Dass das Urlaubsrecht auf Grund der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH in Bewegung ist haben wir bereits in einigen Beiträgen dargestellt. Das BAG hat sich nun in 3 weiteren Entscheidungen mit urlaubsrechtlichen Fragen beschäftigen müssen.

Im ersten Urteil ging es darum, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Aufhebungsvereinbarung getroffen hatten, die neben einer Ausgleichsklausel (Anm.: in Ausgleichsklauseln wird i.d.R. der Verfall aller gegenseitigen Ansprüche geregelt) auch die Freistellung des Arbeitnehmers beinhaltete. Der Arbeitnehmer musste sich aber nach den weiteren Bestimmungen der Aufhebungsvereinbarung weiterhin für Arbeitsleistungen bereitzuhalten.

Das BAG bestätigte hier einerseits noch einmal, dass nur eine unwiderrufliche Freistellung geeignet ist, etwaige (Rest-) Urlaubsansprüche zu erfüllen. Sofern der Arbeitnehmer sich aber trotz Freistellung bereitzuhalten habe, könne der Urlaubsanspruch nicht wirksam erfüllt werden. Weiterhin entschied das BAG, dass eine Verfallklausel im Aufhebungsvertrag nicht den Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub erfassen kann, sofern der Arbeitgeber seinen Mitwirkungspflichten hinsichtlich der Urlaubsgewährung nicht nachgekommen ist (d.h. Hinweis auf möglichen Verfall, konkrete Ermöglichung des Urlaubs etc.).

 

 Im zweiten Urteil (v. 19.3.2019, 9 AZR 495/17) ging es um die Kürzung des Urlaubs während der Elternzeit gemäß § 17 (1) BEEG. Eine (wirksame) Kürzung des Urlaubs während der Elternzeit ist auch mit Unionsrecht vereinbar, so dass diese Möglichkeit auch weiterhin genutzt werden kann.

Im dritten Urteil (19.03.2019, 9 AZR 881/16) ging es um eine mögliche Verjährung des Urlaubsanspruches. Im hier entschiedenen Fall wiesen die Gehaltsabrechnungen des Mitarbeiters den über Jahre aufsummierten Urlaubsanspruch aus. Das BAG entschied hier, dass die Gehaltsabrechnung lediglich eine "Wissenserklärung", aber keine "Willenserklärung" sei. Der Mitteilung einer bestimmten Anzahl von Urlaubstagen kommt daher regelmäßig nicht der Bedeutungsgehalt zu, dass der Arbeitgeber den ausgewiesenen Urlaub auch dann gewähren wolle, wenn er ihn nicht schuldet (in diesem Fall wg. möglicher Verjährunge). Darüber, ob Urlaubsansprüche der Verjährung unterliegen, entschied das BAG in diesem Fall allerdings nicht. Aus den Gehaltsmitteilungen schloss das BAG nämlich, dass diese Mitteilungen die Verjährungsfrist jedes Mal wieder neu in Gang gesetzt haben ("Die Beklagte hat die Urlaubsansprüche, deren Abgeltung der Kläger begehrt, jedoch vor Ablauf der Verjährungsfrist - nicht im rechtsgeschäftlichen, wohl aber im verjährungsrechtlichen Sinne nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB - anerkannt. Dadurch begann die Verjährungsfrist mit jeder dem Kläger erteilten Entgeltabrechnung neu zu laufen.").

Hinsichtlich der Frage, ob Urlaubsansprüche der Verjährung unterliegen, wird man daher auf eine weitere Entscheidung warten müssen.

12.08.2019 MdC

 

 

Neue EU-Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen

Weitgehend unbeachtet erfolgte 2017 die Proklamation der ESSR, der europäischen Säule sozialer Rechte. Als eine der ersten Richtlinie infolge der ESSR (deren Volltext hier zu finden ist) trat nun die neue EU-Richtlinie auf deren Grundlage in Kraft. Mit der Richtlinie 2019/1152 sollen EU-weit transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen sichergestellt werden.

Auswirkungen wird dies zunächst (nur) für den Gesetzgeber haben, der diese Richtlinie nun in nationales Recht umsetzen muss. Auswirkungen wird das aber in einigen Bereichen des deutschen Arbeitsrechts, insbesondere muss das Nachweisgesetz angepasst werden.

Über die einzelnen gesetzlichen Änderungen, die der Gesetzgeber nun schaffen muss, werden wir berichten wenn es soweit ist.

Ein Blick in die Richtlinie - und auch die ESSR - lohnt aber allemal, da die EU sich hier vor allem auch noch einmal aus der Perspektive der sozialen Sicherheit präsentiert.

MdC 2.08.2019

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