Rechtsprechung

Krankheitsbedingte Kündigung bei häufigen Kurzzeiterkrankungen und BEM

Das LAG Düsseldorf hatte sich in einem aktuellen Urteil (17.05.2022, 14 Sa 825/2114 Sa 825/21) noch einmal mit dem Prognosezeitraum befassen müssen, der für eine krankheitsbedingte Kündigung wegen häufiger Kurzzeiterkrankungen ausrechend ist. Zudem musste sich das Gericht in demselben Verfahren mit dem einvernehmlichen Abbruch eines BEM auseinandersetzen.

Das Gericht führte dazu aus:

1. Ein Referenzzeitraum von zwei Jahren vor Ausspruch einer personenbedingten Kündigung wegen häufiger (Kurz-)Erkrankungen kann eine hinreichende Basis der negativen Prognose zukünftiger Arbeitsunfähigkeiten sein.

2. Zur Feststellung zu erwartender Entgeltfortzahlungskosten von mehr als sechs Wochen jährlich: Bei Anwendung eines 6/2-Schichtsystems müssen die zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten insgesamt 31,5 Arbeitstage jährlich übersteigen.

3. Das betriebliche Eingliederungsmanagement (bEM) ist jedenfalls dann abgeschlossen, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einig sind, dass der Suchprozess durchgeführt ist oder nicht weiter durchgeführt werden soll (BAG 18.11.2021 - 2 AZR 138/21 - Rn. 29). Wie der Arbeitnehmer von vornherein die Zustimmung zur Durchführung eines bEM nicht erteilen kann, sodass es überhaupt nicht begonnen wird, so kann das bEM einvernehmlich beendet werden, und zwar unabhängig davon, wie weit es vorangebracht wurde. Es kommt dann darauf an, ob der Arbeitnehmer die notwendigen Kenntnisse über das bEM-Verfahren besaß, um beurteilen zu können, ob es beendet oder fortgesetzt werden sollte.

 

Die sachgerechte Entscheidung bestätigt im Grunde genommen die bisherige Rechtsprechung. Lesenswert ist die Entscheidung, da sie gut und übersichtlich auch auf die bisherige Rechtsprechung Bezug nimmt.

Pflicht zum Tragen einer Maske durch Direktionsrecht gedeckt

Die Weisung des Arbeitgebers, in bestimmten Situationen und bestimmten Räumlichkeiten eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, ist vom Direktionsrecht nach § 106 GewO gedeckt. Die bisherige Entscheidungspraxis wurde nun noch einmal durch das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 26.04.2022 - 7 Sa 106/22) bestätigt.

 

 

 

Untreue durch überhöhte Vergütung des Geschäftsführers einer gGmbH (AWO Müritz)

Eine anlasslose, insbesondere nicht im Interesse der Gesellschaft liegende Erhöhung der finanziellen Leistungen und Leistungsversprechen an den Geschäftsführer einer gGmbH erfüllt den Tatbestand der Untreue gem. § 266 StGB.
Die Unangemessenheit der an den Geschäftsführer einer gGmbH gezahlten Vergütung kann sich auch aus einem sprunghaften erheblichen Gehaltsanstieg ergeben. Es kommt nicht auf die absolute Höhe des Gehalts an. Es besteht grundsätzlich kein Recht auf übergangslose oder in zu großen Sprüngen erfolgende Anpassung der Vergütung an das, was vergleichbare Beschäftigte erhalten bzw. erhalten können
Die Einziehung deliktisch erlangter Anwartschaften oder Ansprüche hat nicht zu erfolgen, wenn bereits rechtskräftig festgestellt ist, dass diese nicht bestehen.

 BGH, Beschluss vom 03.05.2022 – 6 StR 567/21

Fristlose Kündigung bei Androhung von Gewalt

Die ernsthafte Bedrohung des Vorgesetzten und seiner Familie mit körperlicher Gewalt rechtfertigt eine fristlose Kündigung. Gibt die Arbeitgeberin in einem solchem Fall aus Versehen in der Betriebsratsanhörung die Sozialdaten des Klägers unzutreffend an (ledig, keine Kinder anstelle zutreffend verheiratet, ein Kind) und waren dem Betriebsrat im Zeitpunkt der Einleitung der Anhörung die zutreffenden Sozialdaten bekannt, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung aufgrund fehlerhafter Betriebsratsanhörung. Ein Lügendetektor (polygraphische Untersuchung mittels Kontrollfragentests) ist auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren kein zulässiges, weil ungeeignetes Beweismittel.

 Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 12 Sa 705/21

Widerrufsvorbehalt bei Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit gültig

Ein Widerrufsvorbehalt, der sich auf die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit verbunden mit einer Funktionszulage bezieht, ist grundsätzlich wirksam und hält einer AGB-Kontrolle stand. Das Transparenzgebot erfordert es nicht, dass die Gründe, die für einen Widerruf der Übertragung der höherwertigen Tätigkeit in Betracht kommen, aufgeführt werden. Besteht kein dauerhaftes Bedürfnis für die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit, ist deren Übertragung unter einem Widerrufsvorbehalt auch nicht als unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB anzusehen.

Hessisches LAG, Urteil vom 25.03.2022 - 10 Sa 1254/21Hessisches LAG, Urteil vom 25.03.2022 - 10 Sa 1254/21

Steuerfreiheit von Nachtzuschlägen

Ob die Steuerfreiheit für SNF-Zuschläge bei Bereitschaftsdienst sich am tatsächlich gezahlten Entgelt oder am sonst maßgebenden Grundlohn orientiert, damit beschäftigt sich gerade der BFH.

 

Für Mitgliedseinrichtungen, die dem Tarif des AGVPK angehören, hat das Ergebnis keine Auswirkungen. Probleme wird es aber bei Anwendern des TVöD geben, sofern der BFH bei der Steuerfreiheit nur auf die Bereitschaftsdienstvergütung und nicht auf den vollen Stundenlohn zurückgeht.

Über das Ergebnis des anhängigen Verfahrens werden wir berichten.

Das BEM im Kündigungsschutzverfahren

Wie wichtig das BEM, das betriebliche Eingliederungsmanagement ist, das haben wir in vielen Beiträgen schon beschrieben. Eine neue Entscheidung des LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.02.2022 - 17 Sa 57/21, fasst die Rechtsprechung dazu in Leitsätzen noch einmal gut zusammen:

1. Der Arbeitgeber hat gem. § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX grundsätzlich ein neuerliches betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach Abschluss eines bEM erneut länger als sechs Wochen durchgängig oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt war, und zwar auch dann, wenn nach dem zuvor durchgeführten bEM noch nicht wieder ein Jahr vergangen ist.

2. Dies gilt auch dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit über den Abschluss des vorherigen bEM hinaus ununterbrochen nochmals mehr als sechs Wochen angedauert hat.

3. Der Arbeitgeber kann unabhängig davon, ob bereits ein zuvor durchgeführtes bEM Rückschlüsse auf die Nutzlosigkeit eines weiteren erlaubt, geltend machen, dass die Durchführung eines (weiteren) bEM keine positiven Ergebnisse hätte zeitigen können.

4. Für die objektive Nutzlosigkeit des bEM trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. Er muss auch von sich aus zum Fehlen alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten oder zur Nutzlosigkeit anderer, ihm zumutbarer Maßnahmen vortragen. Allerdings gilt dies nur im Rahmen des ihm Möglichen und des nach den Umständen des Streitfalls Veranlassten.

5. Die Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers hat keine Vermutungswirkung dahingehend, dass ein bEM eine Kündigung nicht hätte verhindern können.

6. Die Beweislast für eine Leistungsbefreiung nach § 275 BGB trägt nach allgemeinen Grundsätzen diejenige Partei, die daraus eine ihr günstige Rechtsfolge herleitet.

 

22.06.2022 MdC

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