Rechtsprechung

Alte Ausschlussklauseln können noch wirksam sein

Das BAG hat sich in einer jüngeren Entscheidung mit Ausschlussklauseln in sog. "Altverträgen" beschäftigt, d.h. Verträgen, die noch vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes abgeschlossen worden sind.

Solche Klauseln können, sofern sie nicht aus anderen Gründen unwirksam  sind, nach Inkrafttreten des MiLoG nicht unwirksam werden, weil sie den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausschließen. Hintergund ist, dass eine bei Vertragsschluss transparente Klausel nicht durch eine spätere Änderung der Rechtslage intransparent wird

 

MdC 15.08.2019

Und noch einmal zum Urlaubsrecht

Dass das Urlaubsrecht auf Grund der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH in Bewegung ist haben wir bereits in einigen Beiträgen dargestellt. Das BAG hat sich nun in 3 weiteren Entscheidungen mit urlaubsrechtlichen Fragen beschäftigen müssen.

Im ersten Urteil ging es darum, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Aufhebungsvereinbarung getroffen hatten, die neben einer Ausgleichsklausel (Anm.: in Ausgleichsklauseln wird i.d.R. der Verfall aller gegenseitigen Ansprüche geregelt) auch die Freistellung des Arbeitnehmers beinhaltete. Der Arbeitnehmer musste sich aber nach den weiteren Bestimmungen der Aufhebungsvereinbarung weiterhin für Arbeitsleistungen bereitzuhalten.

Das BAG bestätigte hier einerseits noch einmal, dass nur eine unwiderrufliche Freistellung geeignet ist, etwaige (Rest-) Urlaubsansprüche zu erfüllen. Sofern der Arbeitnehmer sich aber trotz Freistellung bereitzuhalten habe, könne der Urlaubsanspruch nicht wirksam erfüllt werden. Weiterhin entschied das BAG, dass eine Verfallklausel im Aufhebungsvertrag nicht den Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub erfassen kann, sofern der Arbeitgeber seinen Mitwirkungspflichten hinsichtlich der Urlaubsgewährung nicht nachgekommen ist (d.h. Hinweis auf möglichen Verfall, konkrete Ermöglichung des Urlaubs etc.).

 

 Im zweiten Urteil (v. 19.3.2019, 9 AZR 495/17) ging es um die Kürzung des Urlaubs während der Elternzeit gemäß § 17 (1) BEEG. Eine (wirksame) Kürzung des Urlaubs während der Elternzeit ist auch mit Unionsrecht vereinbar, so dass diese Möglichkeit auch weiterhin genutzt werden kann.

Im dritten Urteil (19.03.2019, 9 AZR 881/16) ging es um eine mögliche Verjährung des Urlaubsanspruches. Im hier entschiedenen Fall wiesen die Gehaltsabrechnungen des Mitarbeiters den über Jahre aufsummierten Urlaubsanspruch aus. Das BAG entschied hier, dass die Gehaltsabrechnung lediglich eine "Wissenserklärung", aber keine "Willenserklärung" sei. Der Mitteilung einer bestimmten Anzahl von Urlaubstagen kommt daher regelmäßig nicht der Bedeutungsgehalt zu, dass der Arbeitgeber den ausgewiesenen Urlaub auch dann gewähren wolle, wenn er ihn nicht schuldet (in diesem Fall wg. möglicher Verjährunge). Darüber, ob Urlaubsansprüche der Verjährung unterliegen, entschied das BAG in diesem Fall allerdings nicht. Aus den Gehaltsmitteilungen schloss das BAG nämlich, dass diese Mitteilungen die Verjährungsfrist jedes Mal wieder neu in Gang gesetzt haben ("Die Beklagte hat die Urlaubsansprüche, deren Abgeltung der Kläger begehrt, jedoch vor Ablauf der Verjährungsfrist - nicht im rechtsgeschäftlichen, wohl aber im verjährungsrechtlichen Sinne nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB - anerkannt. Dadurch begann die Verjährungsfrist mit jeder dem Kläger erteilten Entgeltabrechnung neu zu laufen.").

Hinsichtlich der Frage, ob Urlaubsansprüche der Verjährung unterliegen, wird man daher auf eine weitere Entscheidung warten müssen.

12.08.2019 MdC

 

 

EuGH zu Bezugszeiträumen bei der Ermittlung der zulässigen durchschnittlichen Arbeitszeit

Mit Urteil vom 11.04.2019 hat sich der EuGH mit der Ermittlung von Bezugszeiträumen befasst. Dieses Urteil wird weitreichende Folgen haben, auch für das deutsche Arbeitszeitrecht.

Der EuGH entschied, dass

Art. 6 Buchst. b, Art. 16 Buchst. b und Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, die für die Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit Bezugszeiträume mit Beginn und Ende an festen Kalendertagen vorsieht, nicht entgegenstehen, sofern diese Regelung Mechanismen enthält, die gewährleisten können, dass die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden während jedes auf zwei aufeinanderfolgende feste Bezugszeiträume verteilten Sechsmonatszeitraums eingehalten wird.

Diese etwas sperrige Formulierung bedeutet nichts anderes, als das eine durchschnittlich vereinbarte Arbeitszeit nur dann den Anforderungen der europäischen Arbeitszeitrichtlinie entspricht, wenn der Durchschnitt IMMER im vereinbarten Bezugszeitrum eingehalten wird.

Legt man bei 2 aufeinanderfolgenden Bezugszeiträumen eine höhere Arbeitszeit an das Ende des ersten Bezugszeitraumes und an den Beginn des zweiten Bezugszeitraumes, dann kommt es zu einer erheblichen Verlängerung der Arbeitszeit in einem zusammenhängenden Zeitraum, nämlich genau in der Mitte der beiden Bezugszeiträume.

Dies ist nach Auffassung des EuGH unzulässig - und hat gravierende Auswirkungen auf das deutsche Arbeitszeitgesetz, aber auch tarifvertragliche Regelungen. Anschaulich und sehr gut wird dies von Prof. Dr. Buschmann dargestellt, daher wird hier auf den entsprechenden Artikel im Newsletter des HSI verwiesen (dort unter III.).

 

LAG Nürnberg gegen BAG - Mehrarbeit bei Teilzeit

Das LAG Nürnberg hat sich in einer Entscheidung vom 30.04.2019 (Az 7 Sa 346/18) gegen das BAG positioniert. Das LAG entschied, dass Teilzeitbeschäftigte  Überstundenzuschläge nach § 8 Abs. 1 a TVöD-K nur dann erhalten, wenn sie gemäß § 7 Abs. 7 TVöD-K die Arbeitszeit für einen Vollbeschäftigten überschreiten. Eine Auslegung, wonach Teilzeitbeschäftigte Überstundenzuschläge für Mehrarbeit im Sinne des § 7 Abs. 6 TVöD-K erhalten, ist mit dem Wortlaut, der Regelungssystematik und dem darin zum Ausdruck gekommenen Willen der Tarifvertragsparteien nicht vereinbar.

Zudem wies das LAG darauf hin, dass Überstundenzuschläge im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 a TVöD-K den Zweck verfolgen, eine grundsätzlich zu vermeidende besondere Arbeitsbelastung durch ein zusätzliches Entgelt auszugleichen und nicht, durch Verteuerung der über die individuell geschuldete Arbeitsleistung hinausgehenden Arbeitszeiten den individuellen Freizeitbereich zu schützen. Dieser Zweck rechtfertigt eine etwaige Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten, so dass kein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 TzBfG vorliegt.

Das LAG entschied daher anders als bereits zuvor das BAG in seinem Urteil vom 23.03.2017, Az.: 6 AZR 161/16.

Es bleibt abzuwarten, wie dieser Streit ausgehen wird, da gegen die Entscheidung des LAG bereits am 4.07.2019 Revision beim BAG  eingelegt wurde (6 AZR 254/19).

BAG zu 24-Stunden-Diensten im Rettungsdienst

Das BAG hat sich in seinem Urteil vom 17.4.2019, 5 AZR 250/18, mit der Vergütung von 24-Stunden-Diensten im Rettungsdienst beschäftigt. Im hier entschiedenen Fall hatte ein Rettungssanitäter eine zusätzliche Vergütung für die von ihm geleisteten 24-Stunden-Dienste verlangt. Das BAG wies die Revision des Klägers zurück. Nach Auffassung des BAG steht dem Kläger eine zusätzliche Vergütung nicht zu, da der anwendbare Tarifvertrag klare Vergütungsregelungen für die Vollarbeits- / Bereitschaftszeiten vorgesehen hat.

 

Verfall von Urlaubsansprüchen - Obliegenheiten des Arbeitgebers

Wir hatten bereits vor einiger Zeit auf die neue Rechtsprechung des BAG hingewiesen, dass Urlaub nicht mehr einfach verfällt. Das BAG hat sich hier der Rechtsprechung des EuGH anschließen müssen. Mittlerweile liegt auch zu dem grundlegenden BAG Urteil vom 19.02.2019 (Az 9 AZR 541/15) der Volltext vor. Zusammenfassend kann der Inhalt auch der Pressemitteilung des BAG entnommen werden.

 MdC 25.07.2019

Nachtarbeitszuschlag

Das ArbZG sieht  in § 6 ArbZG zwingend einen Zuschlag für Nachtarbeit vor. Strittig ist hier immer wieder die Höhe dieses Zuschlags, da es unterschiedlichste Formen von Nachtarbeit gibt.

Das LAG Baden-Württemberg hat sich in einem erst kürzlich veröffentlichten Urteil (AZ 9 Sa 57/18)  damit auseinandergesetzt. Das Urteil betrifft zwar in diesem Fall eine Dauernachtwache in einem Pflegeheim, aber in der Begründung wird noch einmal sehr gut die bisherige Rechtsprechung des BAG zusammengefasst und erläutert. Lesenswert!

MdC 25.07.2019

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