Rechtsprechung

Vergütung von Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst

Das LAG Köln (Urteil v. 04.03.2020, 3 Sa 218/19) hat in einer sehr lesenswerten Entscheidung zur Vergütung von Ruf- bzw. Bereitschaftszeiten (hier im Geltungsbereich des TV-L) Stellung genommen. Der im hier entschiedenen Fall vorliegende Dienst war offiziell als Rufbereitschaft bezeichnet worden, allerdings stellte sich im Verfahren heraus, dass auf Grund einer sehr häufigen Inanspruchnahme keine Rufbereitschaft im tariflichen Sinn gegeben war. Allein aus der tarifwidrigen Anordnung der Rufbereitschaft folgt nicht deren Umdeutung in Bereitschaftsdienst im Tarifsinn.

Da im hier entschiedenen Fall sodann weder Rufbereitschaft noch Bereitschaftsdienst vorgelegen haben, hatte der Kläger einen Anspruch auf die "übliche Vergütung", was sich aus § 612 (2) BGB ergibt. Für die "Rufbereitschaften" wurde dem Kläger sodann seine normale Stundenvergütung zugesprochen.

Wie in allen anderen Fällen auch wird an diesem Beipiel wieder deutlich, wie wichtig für die Praxis die Abgrenzung von Rufbereitschaften, Bereitschaftsdiensten und "Normalarbeit" ist - und zudem braucht es klare tarif- bzw. arbeitsvertragliche Regelungen, wenn man keine bösen Überraschungen erleben will.

 

22.05.2020 MdC

Zur Verjährung von Urlaubsabgeltungsansprüchen

Das LAG Düsseldorf hat sich in seinem Urteil vom 02.02.2020 – 10 Sa 180/19 mit der Verjährung von Urlaubsabgeltungsansprüchen auseinandergesetzt.

Die Frage, ob Urlaubsansprüche der Verjährung unterliegen, ist schon länger umstritten. Insbesondere durch die Rechtsprechung des EuGH, über die wir ausführlich berichtet haben, hat sich das Urlaubsrecht stark gewandelt. Das LAG hat sich hier der Auffassung angeschlossen, dass die Ansprüche nicht verjähren.

Ein Verfall ist aber weiterhin möglich - sofern der Arbeitgeber seinen entsprechenden Hinweispflichten nachgekommen ist und dem Arbeitnehmer auch die Möglichkeit gegeben hat, den Urlaub überhaupt zu nehmen. Zu den Einzelheiten wird auf die hier bereits besprochenen Urteile hingewiesen.

 

22.05.2020 MdC

 

Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst

In gleich mehreren Verfahren hat das OVG Niedersachsen (z.B. Urteil v. 11.03.2020 - 5 LB 49/1811.03.2020 - 5 LB 49/18) mit der Differenzierung zwischen Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst auseinandergesetzt.

Zurückkommend auf eine Entscheidung des EuGH ("Matzak", EuGH, 21.02.2018, C-518/15) wird zutreffend ausgeführt, dass eine Rufbereitschaft nicht mehr vorliegt, wenn der Mitarbeiter in sehr kurzer Zeit am Einsatzort sein muss. Eine solche Einschränkung ist mit einer Rufbereitschaft nicht mehr zu vereinbaren und es liegt Bereitschaftszeit vor, die auch vergütungsrechtlich anders berücksichtigt wird. Arbeitsschutzrechtlich ist Bereitschaftszeit zudem, anders als Rufbereitschaft, Arbeitszeit.

22.05.2020 MdC

EuGH zum Arbeitsschutz

Der EuGH hat sich in einem Vorentscheidungsverfahren (EuGH v. 30.04.2020 - C-211/19) mit dem Verhältnis der Arbeitszeitrichtlinie und der Arbeitsschutzrahmenrichtlinie beschäftigt.

Was auf den ersten Blick für die Kinder- und Jugendhilfe nicht relevant klingt, hat dennoch größere Bedeutung. Insbesondere bei den familienähnlichen Wohnformen ist der Geltungsbereich der Arbeitszeitrichtlinie nicht geklärt und es stellt sich dann die Frage, welche Auswirkungen in diesem Fall die Arbeitsschutzrahmenrichtlinie auf die Arbeitszeitgestaltung hat.

Im hier entschiedenen Fall ging es zwar nicht um die Jugendhilfe, aber deutlich wurde, dass der Geltungsbereich der Arbeitsschutzrichtlinie sehr umfassend ist. Auf die Einzelheiten soll hier allerdings nicht näher eingegangen werden, da das Thema Gesundheitsschutz in den familienähnlichen Wohnformen einer gesonderten Betrachtung bedarf.

 22.05.2020

   

Unzulässige Teilkündigung

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat mit Urteil vom 25.02.2020 – 5 Sa 132/19 Ausführungen zu sog. Teilkündigungen gemacht.

Teilkündigungen, mit denen der Kündigende einzelne Vertragsbedingungen gegen den Willen der anderen Vertragspartei einseitig ändern will, sind grundsätzlich unzulässig. Sie stellen einen unzulässigen Eingriff in das ausgehandelte Äquivalenz- und Ordnungsgefüge des Vertrags dar. Im hier entschiedenen Fall wollte der Arbeitgeber wegen (angeblicher) Schlechtleistung das Gehalt des Arbeitnehmers mit einer als Änderungskündigung überschriebenen Erklärung reduzieren.

22.05.20 MdC

Befristete Arbeitsverträge und die Vorbeschäftigung

Das LAG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 11.03.2020 – 4 Sa 44/19 entschieden, dass eine Vertragsklausel in einer AGB, mit welcher der Arbeitnehmer bestätigen soll, nicht bereits zuvor in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber gestanden zu haben, als Tatsachenbestätigung, die geeignet ist, die Beweislast zulasten des anderen Vertragsteils und zugunsten des Verwenders zu verändern, unwirksam ist.

Das ist ärgerlich, da nach der Rechtsprechung des BAG eine frühere Beschäftigung beim Arbeitgeber dazu führen kann, dass keine Befristung mehr in einem neuen Arbeitsverhältnis erfolgen kann. Liegt die Vorbeschäftigung schon länger zurück, hat der Arbeitgeber aber möglicherweise keine Kenntnis mehr von einer solchen Vorbeschäftigung.

Hier empfiehlt sich daher, die Frage nach einer Vorbeschäftigung schon im Einstellungsgespräch zu stellen und zu dokumentieren, bzw. noch besser in einem schriftlichen Einstellungsfragebogen.

22.05.20 MdC

Corona- FAQ

FAQ Arbeitsrecht und Corona

 Aktualisierung von Punkt 5 am 28.04.2020

Aktualisierung von Punkt 2 und 4 am 05.05.2020

  1. Muss gearbeitet werden, wenn kein Corona-Fall vorliegt?

 

Ja! Es besteht grundsätzlich kein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers. Dies gilt nicht nur für die Arbeit selbst, sondern auch (zumindest aktuell noch) für die Anreise zur Arbeit (Wegerisiko) oder sonstige betriebliche Tätigkeiten, wie z.B. Dienstreisen. Erst bei einer konkreten Ansteckungsgefahr ändert sich das, insbesondere wenn ein tatsächlicher Infektionsfall vorliegt. In diesem Fall ist ohnehin das örtlich zuständige Gesundheitsamt zu informieren, ebenso die zuständige betriebserlaubniserteilende Behörde. Konkrete Schutzmaßnahmen sind dann mit den Behörden abzustimmen.

Zu beachten ist, dass einige Graubereiche existieren. Eine Dienstreise zu einem Treffen mit mehreren Personen mag noch zulässig sein sofern entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen worden sind (Mindestabstand, Desinfektion bzw. Händewaschen etc.), jedoch sollte möglichst auf alle derartigen Risiken verzichtet werden. Dienstreisen selbst in öffentlichen Verkehrsmitteln gelten zwar (noch) als zulässig, aber auch das ist bereits umstritten.

Zu beachten sind die Hinweise des Robert-Koch-Instituts, die sowohl für Arbeitgeber unter

https://www.infektionsschutz.de/fileadmin/infektionsschutz.de/Downloads/Infoblatt-Arbeitgeber-Coronavirus.pdf

als auch für Arbeitnehmer vorliegen unter

https://www.infektionsschutz.de/fileadmin/infektionsschutz.de/Downloads/Infoblatt-Arbeitnehmer-Coronavirus.pdf

Verweigert ein Mitarbeiter aus Angst vor Ansteckung die Arbeit, ohne dass eine konkrete Gefährdung vorliegt, so muss kein Gehalt gezahlt werden und zudem können arbeitsrechtliche Konsequenzen gezogen werden, die je nach Arbeits- oder Tarifvertrag unterschiedlich ausfallen können. Zu raten ist jedoch in jedem Fall, zunächst das Gespräch zu suchen und gemeinsame Lösungen zu finden.

  1. Es fällt derzeit viel weniger Arbeit an (z.B. Schulbegleiter u.Ä.). Was kann man da tun?

Das Risiko des Arbeitsausfalls trägt grundsätzlich zunächst der Arbeitgeber. Man kann  versuchen etwaige Arbeitszeitguthaben abzubauen oder Urlaub anzuordnen. Beides hängt allerdings von den getroffenen arbeits- bzw. tarifvertraglichen Regelungen ab und geht (insbesondere bei Urlaub) in der Regel nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers.

Eine besondere Möglichkeit ist allerdings die Anordnung von Kurzarbeit, nötigenfalls eine „Kurzarbeit null“. Auch die Anordnung von Kurzarbeit setzt voraus, dass dies entweder im Arbeitsvertrag bzw. Tarifvertrag geregelt ist. Im Tarifvertrag des AGVPK ist dies bspw. der Fall.

Wichtig ist, dass Kurzarbeit auch nur für einzelne Betriebe oder gar Betriebsabteilungen angeordnet werden kann. Hat bspw. eine Einrichtung neben dem stationären Betrieb auch eine Abteilung ambulante Dienste / Schulbegleitung o.Ä., so kann auch nur für diese Betriebsabteilungen Kurzarbeit angeordnet werden. Die Voraussetzungen und das Antragsprozedere für Kurzarbeit werden sehr gut sowohl vom BMAS als auch der Arbeitsagentur beschrieben und finden sich unter folgenden Links:

Zu überlegen ist, ob Mitarbeiter aus Bereichen, die von (möglicher) Kurzarbeit betroffen sind, nicht auch in anderen Bereichen eingesetzt werden können. Unter Berücksichtigung des Fachkräftegebots, zu dem derzeit wohl in den meisten Bundesländern gesonderte Regelungen gelten, ist daher auch der Einsatz im stationären Bereich möglich. Dies ist allerdings in enger Abstimmung mit der jeweiligen betriebserlaubniserteilenden Behörde zu planen.

Zu den Sonderregelungen vgl. z.B. für Niedersachsen

https://soziales.niedersachsen.de/startseite/kinder_jugend_amp_familie/hilfen_zur_erziehung/schutz_von_kindern_und_jugendlichen_in_einrichtungen/hilfen-zur-erziehung-122716.html

Weiterhin wird die Finanzierung über das ebenfalls am 27.03.2020 beschlossene SodEG (Sozialdienstleister-Einsatzgesetz) zu prüfen sein, zu dem es bereits seit dem 30.03.2020 ein erstes FAQ auf den Seiten des BMAS gibt:

https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Schwerpunkte/faq-zum-sodeg.pdf?__blob=publicationFile&v=2

Zuletzt besteht auch die Möglichkeit, dass „freies“ Personal anderen Einrichtungen zur Verfügung gestellt wird. Nach Informationen des BMAS ist dies möglich, wenn Sie üblicherweise sonst keine Arbeitnehmerüberlassung durchführen (was üblicherweise in der Jugendhilfe auch nicht der Fall ist) , sondern nur gelegentlich (also hier wegen der aktuellen Corona-Krise)  eigene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anderen Unternehmen, die einen akuten Arbeitskräftemangel haben, überlassen wollen. In diesem Fall kann dies  ausnahmsweise auch ohne eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) getan werden. Voraussetzung hierfür ist, dass

  • die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Überlassung zugestimmt haben,
  • Sie nicht beabsichtigen, dauerhaft als Arbeitnehmerüberlasser tätig zu sein und
  • die einzelne Überlassung zeitlich begrenzt auf die aktuelle Krisensituation erfolgt.

Wichtig dabei ist allerdings, in diesen Fällen auch die steuerlichen Aspekte zu klären. Da eine Arbeitnehmerüberlassung nach derzeitigem Kenntnisstand auch in kurzfristigen Fällen nicht der Befreiung von der Umsatzsteuer unterliegt, sollten Sie die Abwicklung unbedingt auch mit ihrem jeweiligen Steuerberater besprechen. Möglicherweise wird hier die sog. "Kleinunternehmerregelung" in Frage kommen.

Einfacher dürfte es in Zweifelsfällen sein, den Arbeitnehmer nicht zu "verleihen", sondern von der Arbeit unentgeltlich freizustellen und ihm für eine begrenzte Zeit die Nebentätigkeit im Entleiherbetrieb zu erlauben. In diesem Fall meldet der Entleiherbetrieb den Mitarbeiter dann wie einen eigenen Arbeitnehmer an.

 

Es ist daher insbesondere auch zwischen einzelnen Einrichtungen unterschiedlicher Träger möglich, sehr flexibel Personal zu verschieben – dorthin, wo es gerade gebraucht wird.

 

 

 

  1. Es fällt derzeit mehr Arbeit an (bspw. durch Krankheitsausfälle, mehr Betreuungszeiten durch Schulausfall etc.). Wie kann das mit dem vorhandenen Personal aufgefangen werden?

Grundsätzlich kann durch die Anordnung von Überstunden / Mehrarbeit und eine Umverteilung der Arbeitszeit schon viel erreicht werden. Auch hier wird es bei der Ausgestaltung auf die arbeits- und tarifvertraglichen Regelungen ankommen. Wie auch bei allen anderen Fragen sind dabei etwaige Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates zu berücksichtigen.

Wichtig ist allerdings, dass auch ohne arbeits- oder tarifvertragliche Regelung Überstunden angeordnet werden können, wenn nur durch Überstunden ein unausweichlicher Schaden des Arbeitgebers vermieden werden kann. Durch erhebliche Personalausfälle aufgrund der Corona-Krise besteht in diesem Fall eine solche Gefahr, so dass Überstunden einseitig angeordnet werden könnten.

Es ist davon auszugehen, dass die „Corona-Krise“ zugleich den Ausnahmetatbestand von § 14 ArbZG erfüllt, so dass Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz möglich sind. Dies ergibt sich aus dem am 27.03.2020 beschlossenen Sozialschutzpaket

https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl120s0575.pdf%27%5D__1585641186101

mit dem auch umfangreiche Änderungen von § 14 ArbZG vorgenommen worden sind.

Bis zur Veröffentlichung einer darauf aufbauenden Rechtsverordnung ist hier  im Einzelfall abzuwägen, inwieweit man den sich daraus ergebenen Spielraum ausschöpft; eine grenzenlose Ausweitung der Arbeitszeit kann auch in Ausnahmefällen nicht dauerhaft erfolgen und ist im Einzelfall mit den zuständigen Behörden für Arbeitsschutz abzustimmen.

             

Des Weiteren kann auch der Einsatz von Fremdpersonal überlegt werden, bspw. durch Arbeitnehmerüberlassung (siehe dazu auch unter 2.).

  1. Was passiert mit Mitarbeitern in Quarantäne, wer zahlt hier den Lohn?

Grundsätzlich zahlt auch in diesen Fällen der Arbeitgeber den Lohn, allerdings besteht unter bestimmten Voraussetzungen (siehe unten) die Möglichkeit der Erstattung. Für sechs Wochen nach Beginn des Verdienstausfalls steht Ihnen nach §56 Abs. 2 und 3 IfSG das Entgelt in Höhe des Verdienstausfalls zu. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der für die Anordnung der Quarantäne zuständigen Behörde ersetzt. Ab der siebten Woche wird die Entschädigung in Höhe des Krankengeldes nach § 47 Abs.1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs direkt von der zuständigen Behörde gewährt.

Anträge und Merkblätter werden derzeit von den jeweiligen Ministerien der Länder zur Verfügung gestellt, z.B. für Niedersachsen unter

https://www.niedersachsen.de/Coronavirus/hinweise_fur_berufstatige/hinweise-fur-berufstatige-185673.html

Wichtig ist, dass das Verhältnis zwischen dem IfSG und § 616 BGB noch nicht vollständig geklärt ist und die zuständigen Behörden derzeit wohl davon ausgehen, dass der Entschädigungsanspruch nach dem IfSG nachrangig ist. In einer Reihe von Antragsvordrucken wird daher abgefragt, ob Arbeitnehmer einen Lohnfortzahlungsanspruch nach § 616 BGB haben - und wenn die Frage mit "ja" beantwortet wird, dann wird eine Entschädigungszahlung abgelehnt.

Diese Rechtsauffassung ist u.E. falsch, zumindest in dieser generellen Form,  und bedarf einer gerichtlichen Klärung. Wir empfehlen vorher allerdings detailliert  zu prüfen, ob möglicherweise der Anspruch gemäß § 616 BGB arbeits- oder tarifvertraglich ausgeschlossen wurde.

So werden beispielsweise in unserem Tarifvertrag in Niedersachsen die Gründe für eine Fortzahlung des Entgelts in besonderen Fällen abschließend im dort geltenden Rahmentarifvertrag genannt – und ein Quarantänefall ist dort nicht aufgeführt. Gemäß dem niedersächsischen Tarifvertrag haben Mitarbeiter daher in Quarantänefällen keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung gemäß § 616 BGB. Die Lohn- bzw. Entschädigungszahlungen erfolgen daher nach den Regelungen des IfSG und Arbeitgeber haben hier einen Erstattungsanspruch gegenüber der zuständigen Behörde.

Der Anspruch nach § 616 BGB kann ansonsten aber auch einzelvertraglich ausgeschlossen sein oder durch Bezugnahme auf einen Tarifvertrag, der diesen Anspruch ausschließt. Im Zweifelsfall empfehlen wir hier die Inanspruchnahme einer fachanwaltlichen Beratung – für Verbandsmitglieder ist dies kostenfrei.

Liegt dagegen eine Erkrankung des Arbeitnehmers vor und nicht lediglich Quarantäne, erfolgt die Lohnfortzahlung wie auch in anderen Krankheitsfällen gemäß den Regelungen des EFZG.

  1. Was tun bei Mitarbeitern, die durch Schul- oder Kitaschließung betroffen sind?

aktualisiert 28.04.2020

Der Arbeitgeber ist i.d.R. gemäß § 616 BGB verpflichtet,  den Lohn für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit weiter zu zahlen, wenn Mitarbeiter keine anderweitige Betreuung für ihre Kinder finden. Was eine „nicht erhebliche Zeit“ ist, das ist allerdings nicht wirklich klar; wir gehen hier von etwa 5 Tagen aus. Voraussetzung ist auch, dass die Eltern zunächst alle zumutbaren Anstrengungen unternommen haben, um die Kinderbetreuung anderweitig sicherzustellen.

Sofern die aktuellen Schul- und Kitaschließungen einen Betreuungsbedarf über mehrere Wochen entstehen lassen, entfällt der Anspruch nach § 616 BGB auf Lohnfortzahlung komplett, da der Vergütungsanspruch nach § 616 BGB nur bestehen bleibt, wenn die Verhinderung (nur) eine "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" andauert. Bei mehrwöchigen Schließungen ist das nicht der Fall, da von vornherein eine längere Ausfallzeit feststeht. Arbeitnehmer dürfen dann zur Betreuung der Kinder zwar zu Hause bleiben, haben jedoch aus rechtlicher Sicht in dieser Zeit keinen Anspruch auf Vergütung - und zwar von Anfang an nicht.

Zu beachten ist zudem, dass § 616 BGB  durch arbeits- oder tarifvertragliche Vereinbarungen eingeschränkt oder ausgeschlossen sein kann.

Auf Grund der gesetzlichen Regelungen ist im Rahmen der Corona-Krise aber vorgesehen, dass Arbeitgeber bei Schul- und Kitaschließungen den Arbeitnehmern ihren Verdienstausfall erstatten. Dies ergibt sich aus  § 56 Abs. 1a IfSG. Arbeitgeber können sich diese Entschädigungen gemäß § 56 Abs. 5 IfSG von der zuständingen Behörde erstatten lassen. Anträge werden dazu von den einzelnen Bundesländern zur Verfügung gestellt:

z.B. Niedersachsen

Anscheinend wird dieser Regelung (noch) nicht in allen Bundesländern gefolgt. Es gibt allerdings eine eindeutige Positionierung des BMAS, die für eine Entschädigung in allen Bundesländern spricht und unserer Auffassung nach ist der Wortlaut des Gesetzes auch eindeutig. Wir raten daher zur Antragstellung auch dann, wenn im jeweiligen Bundesland eine Entschädigung nach IfSG (noch) nicht vorgesehen ist. Im Zweifelsfall müsste dieser Weg gerichtlich geklärt werden.

Bevor Entschädigungsleistungen in Frage kommen, sollten bei den örtlichen Behörden etwaige Notbetreuungsmöglichkeiten erfragt werden, die für die "systemrelevanten" Berufsgruppen geschaffen wurden. Besteht eine solche Notbetreuungsmöglichkeit (und wird im jeweiligen Bundesland die entsprechende Beschäftigung auch als systemrelevant gesehen), wird der Entschädigungsanspruch in den meisten Fällen entfallen. Der Anspruch ist auf eine Dauer von 6 Wochen begrenzt. Sofern beide Elternteile berufstätig sind, kann selbstverständlich auch nur ein Elternteil diese Regelung in Anspruch nehmen. Begrenzt wird der Anspruch weiterhin auf die Betreuung von Kindern bis zum vollendeten 12. Lebensjahr. Die Höhe des Anspruch ergibt sich aus § 56 Abs. 2 IfSG und muss natürlich bei der Lohnabrechnung durch den Arbeitgeber entsprechend berücksichtigt werden. Eine Aufstockung kann (freiwillig) erfolgen; eine Erstattung des Aufstockungsbeitrages erfolgt mangels gesetzlicher Grundlage aber natürlich nicht durch die zuständigen Behörden.

 Wenn nun Kinder selbst erkrankt sind, dann gibt es keine (weitere)  Lohnfortzahlung, denn dafür gibt es Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung (70% des Bruttogehalts und maximal 90% des Nettogehalts).

 

  1. Wie sieht es mit den Informationspflichten aus?

Wenn ein Corona-Fall im Betrieb bekannt ist, muss der Arbeitgeber die Mitarbeiter darüber informieren, um sie besser schützen zu können. Arbeitnehmer haben gegenüber ihrem Arbeitgeber eine Informationspflicht, wenn eine konkrete Ansteckungsgefahr besteht bzw. im unmittelbaren Bekanntenkreis (i.d.R. Familienangehörige) ein Corona-Fall aufgetreten ist.

  1. Wie wird die Vormittagsbetreuung bei Schulausfällen sichergestellt?

Durch die Schließung von Schulen / Kitas etc. sind in vielen Einrichtungen auch am Vormittag erhebliche Betreuungszeiten abzudecken, die möglicherweise (noch) nicht in den Entgelten berücksichtigt worden sind. Neben der Änderung und Umverteilung von Diensten muss hier über eine mögliche Aufstockung des Personals nachgedacht werden, ggf. über Mehrarbeit. Zur Finanzierung der zusätzlichen Betreuung ist nötigenfalls eine Neuvereinbarung der Entgelte gemäß § 78d Abs. 3 SGB VIII erforderlich, der bei unvorhersehbaren wesentlichen Veränderungen der Annahmen, die der Entgeltvereinbarung zugrunde lagen, eine Neuvereinbarung zulässt. Dies ist bei der aktuellen Situation gegeben.

Vereinbarungen nach § 78d Abs. 3 SGB VIII wären hier auch befristet (und ggf. später auch verlängerbar) möglich, ebenso können Zusatzvereinbarungen getroffen werden.

Zu guter Letzt:

Diese Hinweise werden regelmäßig aktualisiert. Da sich Rechtsprechung und Umsetzung vor Ort jedoch sehr schnell entwickeln, empfehlen wir eine tagesaktuelle Abfrage in der jeweiligen Region. Etwaige Hinweise auf Änderungen lassen Sie uns auch gerne zukommen!

 

Kontakt

Arbeitgeberverband privater Träger
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inder- und Jugendhilfe e.V.

Nikolaiwall 3

27283 Verden

Tel 04231 - 95 18 412

Mail: info@ag-vpk.de

Internet: www.ag-vpk.de

 

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