Rechtsprechung

Veruntreuung und Vorenthalten von Arbeitsentgelt und die Verjährung

Nach einem aktuellen Beschluss des  BGH  v. 01.09.2020  (1 StR 58/19) beginnt die Verjährung jeder Tat des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gemäß § 266a Abs. 1 StGB  mit dem Verstreichen des Fälligkeitszeitpunktes für jeden Beitragsmonat nach § 23 Abs. 1 SGB IV.

Damit wurde der bisherigen, quasi fast "unendlichen" Verjährungszeit eine Absage erteilt. Auf eine Kommentierung wird hier verzichtet, da die Entscheidung ausführlich und gut lesbar ist. Anzumerken ist lediglich, dass die Verjährungsfrist (noch immer) fünf Jahre beträgt, soweit lediglich ein unbenannter besonders schwerer Fall gemäß § 370 Abs. 3 Satz 1 AO in Betracht kommt, § 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 StGB.

MdC

 

Betriebsrat hat keinen Anspruch auf dauerhafte Überlassung von Bruttoentgeltlisten

Das BAG hat mit Beschluss vom 29.09.2020 (1 ABR 32/19) entschieden, dass aus dem entgeltlistenbezogenen Einsichts- und Auswertungsrecht des § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG kein Anspruch des Betriebsrats auf dauerhafte Überlassung der Listen über die Bruttolöhne und -gehälter folgt.

Die Entscheidung verwundert nicht, da das BAG bereits im Mai 2019 entschieden hatte, dass der Betriebsrat  nur Einblick in Unterlagen verlangen kann, die der Arbeitgeber – zumindest in Form einer elektronischen Datei – tatsächlich besitzt; ein auf Herstellung nicht existenter Listen gerichteter Anspruch lässt sich nicht auf § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG stützen (vgl. BAG 7. Mai 2019 – 1 ABR 53/17).

MdC

Mindestpersonalbesetzung und Mitbestimmungsrechte - nun doch?

Nach einer aktuellen Entscheidung des LAG Hamburg steht dem Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung von Personalschlüsseln – zur Vermeidung einer ansonsten gesundheitsgefährdenden Überlastung des Personals zu.

Das LAG Hamburg vertritt damit eine andere Auffassung als das LAG Schleswig-Holstein (wir haben darüber im Rahmen einer BAG-Entscheidung berichtet).

Es wird in Anbetracht der divergierenden Rechtsauffassungen spannend bleiben, wie sich die weitere Entwicklung gestaltet.

Bernd Weller hat in seiner Kurzkommentierung geschrieben, dass "...bereits seit einiger Zeit zu beobachten (ist), dass der Kampf (um die Möglichkeiten der Erzwingung!) von Mindestbesetzungsquoten auf politischer Ebene (diverse gesetzgeberische Verordnungen zu solchen Quoten), auf gesellschaftlicher Ebene, auf gewerkschaftlicher Ebene (Forderung von Personalbesetzungs-Tarifverträgen) sowie teilweise auf betrieblicher Ebene von den Betriebsräten geführt wird. Und dieser Kampf wird weiter gehen.

Hierbei ist freilich immer die rechtliche Erzwingbarkeit (steht hier im Fokus) von der betrieblichen Notwendigkeit (ganz andere Diskussionsebene) zu unterscheiden. Werden diese Ebenen vermischt, besteht häufig die Gefahr, dass die durchaus nachvollziehbare Forderung nach mehr Personal – etwa im Bereich der Pflege –  den Blick auf rechtliche Grundsätze – etwa im Betriebsverfassungsrecht – trübt."

Dem ist auch im Hinblick auf die Jugendhilfe nichts hinzuzufügen.

MdC

Nachtarbeitszuschläge in Tarifverträgen

Das LAG Nds. hat entschieden, dass eine tarifvertragsgleiche Regelung (im Streitfall war hier ein Tarifvertrag der Futtermittelindustrie), die für Nachtarbeit einen Zuschlag vom 60 % zum Stundenlohn vorsieht, während Nachtarbeit im Schichtbetrieb lediglich mit einem Zuschlag von 25 % vergütet wird, Nachschichtarbeitsnehmer gegenüber Arbeitnehmern, die außerhalb von Schichtsystemen Nacharbeit leisten, gleichheitswidrig schlechterstellt.

In einem anderen Verfahren, das ebenfalls vor dem LAG Nds. geführt wurde, sah das Gericht die Differenzierung zwischen Nachtarbeit in der Zeit von 21:00 Uhr bis 5:00 Uhr, die keine Schichtarbeit ist (50 %) und Schichtarbeit, die in die Nachtzeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr fällt (25 %) bei der Zuschlagshöhe dagegen nicht als Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG an, da diese Differenzierung sich im Rahmen der den Tarifvertragsparteien nach Art. 9 Abs. 3 GG zustehenden Einschätzungsprärogative hält. Gier ging es um einen TV in der Getränkeindustrie.

Unseres Erachtens sind beide Entscheidungen stimmig, obwohl sie auf den ersten Blick auseinanderfallen. Die Tücke steckt hier im Detail - und Tarifvertragsparteien müssen bei der Entscheidungsfindung daher berücksichtigen, dass eine Differenzierung bei der Höhe von Nachtzuschlägen nicht in jedem Fall gleichheitswidrig ist. Praktische Konkordanz zwischen der Grundrechtsausübung durch die Tarifvertragsparteien nach Art. 9 Abs. 3 GG und den Gleichheitsrechten der Normunterworfenen (Art. 3 Abs. 1 GG) ist für jede tarifvertragliche Regelung, die unterschiedliche Zuschläge für Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit vorsieht, gesondert herzustellen (LAG Nds. II, a.a.O.).

MdC

Aktuelle Rechtsprechung zum Urlaubsrecht

Das Urlaubsrecht hat sich insbesondere durch die Rechtsprechung des EuGH in den letzten Jahren stark verändert, meist zum Nachteil der Arbeitgeber. Mit zwei aktuellen Entscheidungen des BAG sind nun auch arbeitgeberfreundliche Urteile hinzugekommen.

So hat das BAG hat mit Urteil vom 7.7.2020 (9 AZR 323/19) entschieden, dass tarifliche Ausschlussfristen zum Urlaubsabgeltungsanspruch unionsrechtskonform sind. Weder die Richtlinie 2003/88/EG noch  Art. 31 Abs. 2 GRC schließen demnach die Möglichkeit aus, den Anspruch auf Urlaubsabgeltung einer zeitlich befristeten Geltendmachung zu unterwerfen.

Mit Urteil vom 25.08.2020 (Az 9 AZR 612/199 AZR 612/19) hat das BAG weiterhin entschieden, dass der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Urlaub vorsorglich für den Fall gewähren kann, dass eine (i diesem Fall  außerordentliche)  Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst. In diesem Fall muss er den Arbeitnehmer unmissverständlich und endgültig von der Arbeitspflicht befreien und das Urlaubsentgelt entweder vor Antritt des Urlaubs zahlen oder dessen Zahlung vorbehaltlos zusagen.

MdC

 

Kündigung

 Arbeitnehmer sind verpflichtet dem Arbeitgeber gemäß  § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG  unverzüglich anzuzeigen, wenn sie länger als ursprünglich mitgeteilt arbeitsunfähig krank sind. Wird das nicht gemacht, kann dies eine verhaltensbedingte Kündigung sozial rechtfertigen.

BAG Urt. vom 7.5.2020 - 2 AZR 619/19Urt. vom 7.5.2020 - 2 AZR 619/19

MdC

Arbeitszeit, Bereitschaftszeit oder Rufbereitschaft

Dass die Abgrenzung von Arbeitszeit, Bereitschaftszeit und Rufbereitschaft nicht immer einfach ist, zeigen gerade 2 beim EuGH anhängige Verfahren. Neben einem Verfahren aus Slowenien, in dem es um die Arbeitszeit eines Sendetechnikers geht, der auf Grund geographischer Besonderheiten in der Nähe seines Einsatzortes "stationiert" ist, ist auch ein Vefahren aus Deutschland mit dabei. In dem Verfahren geht es um die Frage, ob ein Feuerwehrmann, der innerhalb von 20 Minuten die Grenzen der Stadt in  Arbeitskleidung und mit  Einsatzfahrzeug erreichen können muss, als Arbeitszeit oder als Ruhezeit anzusehen ist.

Auch wenn beide Verfahren zunächst (anscheinend) nichts mit der Kinder- und Jugendhilfe zu tun haben, werden die Entscheidungen zu einer Konkretisierung der Begriffe Arbeitszeit / Bereitschaftszeit / Rufbereitschaft beitragen.

Sobald die Entscheidungen vorliegen werden wir hier weiter berichten.

MdC

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Mail: info@ag-vpk.de

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