Rechtsprechung

Arbeitnehmerstatus und Rechtsmissbrauch

Das LAG Baden-Württemberg hat sich in einem interessanten Verfahren (Urt. v. 25.03.2021 - 17 Sa 45/20) mit einer Fallkosnstellation beschäftigt, in der strittig war, ob überhaupt ein Arbeitsverhältnis bestanden hat oder aber nur ein Dienstvertrag geschlossen wurde.

Im hier entschiedenen Fall stellte sich dann im arbeitsgerichtlichen Verfahren heraus, dass tatsächlich ein Arbeitsverhältnis bestanden hatte. Neben der Möglichkeit der Anfechtung nach § 123 BGB steht dem Arbeitgeber nach Auffassung des LAG auch ein Rechtsmissbrauchseinwand gegen den den Arbeitnehmerstatus geltend machenden Arbeitnehmer nach § 242 BGB zur Seite, wenn dieser eine Sach- oder Rechtslage geschaffen hat (bspw. durch das Versprechen das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses nicht geltend zu machen), auf die sich der in Anspruch genommene Arbeitgeber verlassen durfte und verlassen hat.

 

Kürzung des Urlaubs bei Elternzeit

Das LAG Rheinland-Pfalz hat sich mit der Kürzung des Urlaubsanspruchs während der Elternzeit beschäftigt (LAG Rheinland-Pfalz, 17.02.2021 - 7 Sa 245/20). Auszugsweise heißt es dort

"Möchte der Arbeitgeber den Anspruch auf Erholungsurlaub in der Elternzeit kürzen, muss er sein Kürzungsrecht ausüben. Dazu ist eine hierauf gerichtete rechtsgeschäftliche Erklärung erforderlich, die dem Arbeitnehmer zugehen muss. Die Kürzung muss nicht mit den Worten des BEEG erklärt werden. Die Kürzungserklärung kann ausdrücklich oder stillschweigend abgegeben werden. Dazu ist es ausreichend, dass dem Arbeitnehmer - abweichend von seinem Urlaubsverlangen - nur der gekürzte Urlaub gewährt wird oder für ihn erkennbar ist, dass der Arbeitgeber sein Kürzungsrecht ausüben will (...). Die Regelung in § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG setzt voraus, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub bei Zugang der Kürzungserklärung noch besteht. Daran fehlt es, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat. Das Gesetz unterstellt allein den "Erholungsurlaub" der Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers, nicht dagegen den Abgeltungsanspruch (...)."

Für Arbeitgeber bedeutet das in der Praxis, mit der Kürzung des Urlaubsanspruchs nicht allzu lange zu warten. Ist das Arbeitsverhältnis nämlich erst einmal beendet, scheidet die Kürzungsmöglichkeit aus und der Arbeitgeber muss den Urlaub quasi ausbezahlen.

 

 

Ausschlussfristen - Klauseln

In einem gerade veröffentlichten Urteil des BAG (Urt. v. 26.11.2020, 8 AZR 58/20) ging es um die Wirksamkeit einer Ausschlussklausel. Im hier entschiedenen Fall hatte (vereinfacht gesagt) eine Arbeitnehmerin den Arbeitgeber vorsätzlich durch Falschüberweisungen bzw. gefakte Rechnungen geschädigt . Im Arbeitsvertrag fand sich folgende Klausel: "Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind binnen einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Fall der Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Ausschlussfrist von einem Monat einzuklagen". Selbstverständlich kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis, wollte dann aber natürlich auch sein Geld wiederhaben. Die Arbeitnehmerin berief sich dagegen auf die eben genannte Verfallklausel.

Das BAG urteilte dazu wie folgt (Leitsatz):

"Eine Ausschlussklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder vorformulierten Vertragsbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, nach der ausnahmslos alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, verfallen, wenn sie nicht binnen bestimmter Fristen geltend gemacht und eingeklagt werden, erfasst grundsätzlich alle wechselseitigen gesetzlichen und vertraglichen Ansprüche, die die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben und damit auch Schadensersatzansprüche aus vorsätzlicher Vertragsverletzung und aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung."

Wer nun zunächst einen kleinen Schreck bekommen hat, wird seinen Puls beim Lesen des zweiten Leitsatzes wieder beruhigen können:

"Eine solche Verfallklausel ist wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB nach § 134 BGB nichtig."

Vereinfacht man das Ganze zu einem Satz, könnte der lauten:

"Umfassende Ausschlussklauseln umfassen alle Ansprüche, sind aber genau deshalb auch unwirksam"

Was bedeutet das für die Praxis?

Bei der Formulierung von Ausschlussklauseln solle man sich gut beraten lassen. Sofern man die verwendete Klausel auf zulässige Ausschlussgründe  einschränkt, kann man einer Unwirksamkeit gut begegnen.

Tarifgebundene Mitglieder unseres Verbandes müssen hier daher gar nichts weiter tun, da unsere Tarifverträge insofern bereits entspechend gut formulierte Klauseln enthalten. Tarifungebundene Mitglieder, die "eigene" Arbeitsverträge verwenden, sollten etwaig verwendete Ausschlussklauseln überprüfen lassen.

Ruhezeiten bei mehreren Arbeitsverträgen

Wenn ein Ar­beit­neh­mer mit dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber meh­re­re Ar­beits­ver­trä­ge ge­schlos­sen hat, dann gilt nach einem aktuellen Urteil des EuGH (Urteil v. 17.03.2021, C 585/19) die tägliche Mindestruhezeit zusammengenommen für beide Verträge.

Bei mehreren Arbeitsverträgen darf die täglich erlaubte Arbeitszeit daher insgesamt nicht überschritten werden. Das Urteil des EuGH bringt für das deutsche Recht nichts Neues, da die Zusammenrechnung von Arbeitszeiten und die Berücksichtigung von  Ruhezeiten bereits der BAG-Rechtsprechung entsprechen.

MdC

 

BAG zur Rufbereitschaft

Auch das BAG hatte sich in einem aktuellen Verfahren mit dem Thema Rufbereitschaft zu beschäftigen. Fraglich war hier die Einordnung ärztlicher Hintergrunddienste und ihre Einordnung als Rufbereitschaft oder aber Bereitschafts- bzw. gar Arbeitszeit. Bislang liegt zu dieser Entscheidung nur die Pressemitteilung des BAG vor, in der es auszugsweise heisst:

"Ob ärztlicher Hintergrunddienst nach § 9 des Tarifvertrags für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte/TdL) zu vergütende Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst ist, hängt davon ab, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch eine Vorgabe insbesondere hinsichtlich der Zeit zwischen Abruf und Aufnahme der Arbeit zwingt, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten und damit eine faktische Aufenthaltsbeschränkung vorgibt. Das gilt auch, wenn der ärztliche Hintergrunddienst mit einer Telefonbereitschaft verbunden ist (.....)

Allerdings untersagt § 7 Abs. 6 Satz 2 TV-Ärzte/TdL dem Arbeitgeber die Anordnung von Rufbereitschaft, wenn erfahrungsgemäß nicht lediglich in Ausnahmefällen Arbeit anfällt. Das trifft vorliegend zu. Der Kläger wird in etwa der Hälfte der Hintergrunddienste zur Arbeit herangezogen und leistet zu 4 % aller Rufbereitschaftsstunden tatsächliche Arbeit. Dabei kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht nur auf die Arbeitseinsätze an, die in der Klinik fortzusetzen sind, was in mehr als einem Viertel der Rufbereitschaften vorkommt. In der Gesamtschau dieser Umstände hätte sie die vom Kläger geleisteten Hintergrunddienste daher nicht anordnen dürfen. Gleichwohl führt dies nicht zu der vom Kläger begehrten höheren Vergütung. Ein bestimmter Arbeitsleistungsanteil ist nach dem Tarifvertrag weder dem Bereitschaftsdienst noch der Rufbereitschaft begriffsimmanent. Die Tarifvertragsparteien haben damit bewusst für den Fall einer tarifwidrigen Anordnung von Rufbereitschaft keinen höheren Vergütungsanspruch vorgesehen. Diesen Willen hat der Senat respektiert.

(Pressemitteilung des BAG)."

 

 

Betriebsrisiko und Quarantäne

In einer aktuellen Entscheidung des Arbeitsgerichtes Dortmund ging es um die Lohnzahlung einer durch den Arbeitgeber (und nicht durch das Gesundheitsamt!) angeordneten Quarantäne.

Das ArbG Dortmund führte dazu u.a. aus:

ArbG Dortmund, Urt. v. 24.11.2020, 5 Ca 2057/20

 

 

Urlaubsanspruch während der Kurzarbeit

Das LAG Düsseldorf hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit dem Thema Urlaub und Kurzarbeit befasst. Demnach wird während einer angeordneten "Kurzarbeit Null" kein Urlaubsanspruch erworben.  Für jeden (vollen) Monat der Kurzarbeit Null ist der Jahresurlaub um 1/12 zu kürzen. Der Volltext des Urteils liegt noch nicht vor, dürfte aber in wenigen Tagen unter dem oben eingefügten Link erhältlich sein.

 

 

 

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