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BAG: Verpflichtung zur systematischen Arbeitszeiterfassung

Über das BAG-Urteil ("Stechuhr-Urteil") hatten wir ja schon kurz berichtet und jetzt, wo der Volltext vorliegt, wollen wir noch einmal etwas detaillierter darauf eingehen.

Klar ist, dass Arbeitszeiten aufgezeichnet werden müssen. Zum Wie und Was hat das BMAS bereits ein umfangreiches FAQ online gestellt, auf das ich hier verweisen möchte.

Die Entscheidung greift zur Begründung auf das Arbeitsschutzgesetz als Rechtsgrundlage  zurück und nicht auf das Arbeitszeitgesetz. Das bedeutet ganz praktisch, dass die bisher vom Arbeitszeitgesetz ausgenommenen Personengruppen (z.B. innewohnende Fachkräfte) ebenfalls unter die Aufzeichnungspflicht fallen könnten. Unseres Erachtens wird dies jedoch nicht geschehen, da der Gesetzgeber nun aufgefordert ist, die Aufzeichnungspflicht gesetzlich zu regeln - und das wird er sicherlich im Arbeitszeitgesetz selbst tun. Bereits im Koalitionsvertrag wurden diese Punkte besprochen und mit einer Umsetzung dürfte im ersten Halbjahr 2023 zu rechnen sein.

Bis dahin sollten im Übrigen auch keine übereilten Schritte, wie z.B. die Anschaffung teurer Software für die Erfassung,  eingeleitet werden. Wichtig ist, die Arbeitszeit aller Mitarbeiter zu erfassen und zu dokumentieren, und zwar zumindest Beginn, Ende und Dauer. Wir empfehlen darüber hinaus auch die Dokumentation von Pausen. Eine elektronische Erfassung ist (bislang) nicht vorgesehen, daher können auch schriftliche Aufzeichnungen gefertigt werden. Ob und wie die Erfassung digital sinnvoll sein kann, werden wir nach Vorliegen des Gesetzes noch einmal prüfen.

Was aber, wenn bislang eine sog. "Vertrauensarbeitszeit" vereinbart war. Das Urteil enthält auch hierzu ein paar kurze Passagen:

Es "...seien vor allem die Besonderheiten der jeweils betroffenen Tätigkeitsbereiche der Arbeitnehmer und die Eigenheiten des Unternehmens – insbesondere seine Größe – zu berücksichtigen" und etwas später "Zudem sei es auch nicht ausgeschlossen, die Aufzeichnung der betreffenden Zeiten als solche an die Arbeitnehmer zu delegieren"

Konkret bedeutet das Urteil also nicht das Aus der Vertrauensarbeitszeit. Die Zeiterfassung kann der Mitarbeiterin/dem Mitarbeiter aufgegeben werden. Wichtig aus arbeitsschutzrechtlicher Perspektive ist jedoch, dass diese Dokumentation dem Arbeitgeber dann übergeben wird und der Arbeitgeber sollte zumindest stichprobenhaft kontrollieren, ob die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes eingehalten werden.

Nicht gleichbedeutend ist die Erfassung im Übrigen mit dem Dienstplan; dieser enthält nur die geplante Arbeitszeit, nicht jedoch die tatsächlich abgeleistete Zeit.

Aus diesem Grund hat wohl auch die BAGLJAe in ihrer aktuellen Empfehlung Nr. 159 unter anderem sowohl die Arbeitszeiterfassung als auch die Dienstpläne als erforderliche Unterlagen zur Erfüllung  der Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht i.S.d. § 47 Abs. 2 SGB VIII angesehen. Für unsere Mitglieder ist das außerordentlich wichtig, da die Aufbewahrungspflichten im Arbeitszeitgesetz kürzer sind; unter § 47 SGB VIII beträgt die Aufbewahrungsfrist 5 Jahre. Werden die Aufzeichnungen mit der (Lohn-) Buchhaltung verknüpft, verlängert sich die Aufbewahrungspflicht noch einmal. Wird gegen die Aufbewahrungspflicht verstoßen droht daher nicht nur ein Bußgeld, sondern es kann sogar die Trägereignung in Frage gestellt werden.

Anfang 2023 werden wir zu diesem Thema ein kurzes Webinar anbieten und nehmen dazu gerne auch die  jetzt schon bestehenden Fragen mit auf.

MdC 07.12.2022

 

 

Tarifverhandlungen in Brandenburg vor dem Abschluss

Heute konnte in Brandenburg die letzte Tarifrunde erfolgreich beendet werden, so dass wir nach den nun einzuleitenden und formal noch erforderlichen Beteiligungs- und Zustimmungsverfahren mit einer Unterschrift beider Seiten am 14.12.2022 rechnen.

Damit haben wir jetzt den ersten Tarifvertrag in einem ostdeutschen Bundesland abschließen können und sind davon überzeugt, dass sich diese Entwicklung bei vielen Trägern herumsprechen wird.

Neben den in Arbeitsgruppen und vor allem der Tarifkommission tätigen Mitgliedern möchten wir uns ganz ausdrücklich bei unserem Brandenburger Landesarbeitsgruppensprecher Janko Sprenger bedanken, der mit außergewöhnlichem Engagement dazu beigetragen hat, dass diese Verhandlungen so konstruktiv und erfolgreich abgeschlossen werden konnten.

22.11.22 MdC

 

 

Landesarbeitsgruppensprecher in allen Bundesländern

Am 15.11. wurde in Niedersachsen Franz Schuten als Landesarbeitsgruppensprecher gewählt. Wir gratulieren dazu ganz herzlich und freuen uns, dass Franz mit seiner umfangreichen Erfahrung und Expertise den Verband weiter begleiten wird! In Niedersachsen hatte die Organisation der Wahl ein wenig länger gedauert, da Niedersachsen als "Ursprungsland" des ersten Tarifvertrages nach wie vor die meisten Mitglieder unseres Verbandes stellt.

Mit der Wahl sind nun in allen Bundesländern, in denen wir Tarifverträge geschlossen haben bzw. gerade dabei sind, Landesarbeitsgruppensprecher gewählt.

Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zum 01.01.2023

Mit dem bereits im November 2019 verkündeten „Dritten Bürokratieentlastungsgesetz“ hat der Gesetzgeber u.a. die Vorlagepflicht der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für gesetzlich (Kranken-) Versicherte abgeschafft. Nach einigen Anläufen und Problemen wurde das Inkrafttreten jedoch immer wieder verschoben, doch jetzt ist absehbar, dass die Neuregelung zum 01.01.2023 in Kraft tritt.

Bislang ist es in Krankheitsfällen so, dass der Arbeitnehmer im Falle einer Erkrankung

  1. dem Arbeitgeber unverzüglich die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer mitzuteilen hat und
  2. spätestens am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung über deren Bestehen sowie deren voraussichtliche Dauer vorzulegen hat.

Zu diesem Zweck erhalten Beschäftigte seither von ihrem Arzt drei Ausfertigungen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU): eine zur Übermittlung an die Krankenkasse, eine für ihre eigenen Unterlagen und zuletzt den „gelben Schein“, der ohne Angabe der Diagnose zur Vorlage beim Arbeitgeber dient. Der Arbeitgeber kann die Vorlage auch schon früher verlangen, sogar schon am ersten Tag der AU.

An der Mitteilungspflicht der Arbeitnehmer ändert sich auch zukünftig nichts. Auch nach dem 1. Januar 2023 müssen dem Arbeitgeber also weiterhin unverzüglich die AU und deren voraussichtliche Dauer mitgeteilt werden.

Die Verpflichtung zur Vorlage der AU beim Arbeitgeber entfällt jedoch zum 01.01.2023 bei den gesetzlich Krankenversicherten. Diese müssen ihre AU nur noch von einem Arzt feststellen lassen. Der Arzt wird den Arbeitnehmern zwar nach wie vor eine Bescheinigung aushändigen, die jedoch gerade nicht zur Vorlage beim Arbeitgeber dient, sondern für die eigenen Unterlagen gedacht ist und ggf. später auch zu Beweiszwecken dienen kann.

Zukünftig erhält der Arbeitgeber von der Krankenkasse eine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU). Hierzu muss er aber selbst tätig werden und die vom Arzt an die Krankenkasse übermittelten Daten mittels gesicherter und verschlüsselter Datenübertragung abrufen. Die Krankenkassen erstellen dazu nach Eingang der Arbeitsunfähigkeitsdaten eine Meldung „zum Abruf für den Arbeitgeber“. Aus der bisherigen Bringschuld wird also eine Holschuld, die für Arbeitgeber deutlich arbeitsaufwändiger wird.

Allein der Datenabruf dürfte zumindest in Anfangszeit problembehaftet sein, da ein Pauschalabruf nicht möglich ist. Die eAU kann nur für den jeweiligen Arbeitnehmer und auch nur für den jeweiligen Zeitraum angefordert werden, was die genaue Angabe der Abrufdaten voraussetzt.  Sofern das bei der Abfrage angegebene Datum mehr als fünf Tage vor dem bei der Krankenkasse gemeldeten Beginn der AU liegt, erfolgt möglicherweise die Antwort der Krankenkasse, dass gar keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt.

Auch wenn die AU fortbesteht, muss die sog. „Folgebescheinigung“ durch den Arbeitgeber in einem weiteren Arbeitsschritt separat abgerufen werden.

Sofern der Arbeitgeber die Lohnbuchhaltung an einen Steuerberater oder ein Lohnbüro abgegeben hat, muss dieses zukünftig also die genauen Angaben zum Arbeitsunfähigkeitszeitraum erhalten, damit die erforderlichen Daten von der Krankenkasse auch von dort abgerufen werden können.  

Nachteilig bei dem neuen Verfahren dürfte zudem sein, dass die eAU bedingt durch die verzögerte Übermittlung erst einige Tage nach Feststellung der Arbeitsunfähigkeit abrufbar sein kann. Sicherheit dürfte der Arbeitgeber in bestimmten Fällen, z.B. bei einem dazwischenliegenden Wochenende, spätestens erst am sechsten Tag der AU haben; dies ist deutlich später als bisher bei der Vorlagepflicht durch den Arbeitnehmer.

Bei Privatversicherten oder Erkrankung im Ausland gelten die Neuregelungen dagegen nicht.

Was für die Praxis allerdings noch einmal bedeutsam wird ist jedoch das Versäumnis des Gesetzgebers, auch das Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers anzupassen. Bislang konnte der Arbeitgeber von seinem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch machen (also die Lohnzahlung verweigern), wenn die AU nicht am vierten Tag der AU vorgelegen hat. Da diese Regelung, die sich in § 7 Abs. 1 EFZG findet, im Zuge der Gesetzesänderungen nicht angefasst wurde, entfällt diese Möglichkeit zukünftig.

Wir tendieren aber zu der Auffassung, dass sich hier eine analoge Sichtweise durchsetzen wird und der Arbeitgeber spätestens dann, wenn er keine eAU abrufen kann und der Arbeitnehmer die ärztliche Feststellung der AU nicht anderweitig nachweisen kann auch in diesen Fällen die Entgeltfortzahlung verweigern kann.

Abweichen kann man im Übrigen von der Neuregelung nicht, auch nicht durch „freiwillige“ Vorlage der AU, die der Arbeitnehmer noch immer von seinem Arzt erhält.

Wir empfehlen daher allen Mitgliedern, sich frühzeitig mit ihren Lohnbuchhaltern auf dieses Thema einzustimmen und bei externer Vergabe die erforderliche Kommunikation auch unter Berücksichtigung des Datenschutzes zu besprechen.

Besonderheiten gibt es im Übrigen auch bei Minijobbern. Daher hat die Minijob-Zentrale weiterführende Informationen bereitgestellt. Da sich bei den Minijobs auch noch weitere Dinge geändert haben, werden wir dazu Anfang 2023 noch ein Online-Seminar anbieten.

Verden, 19.11.2022

Pflegeverhältnis Ehrenamt oder Beschäftigung?

"Eine vom Träger der Jugendhilfe beauftragte Pflegemutter nimmt ihre Tätigkeit im sozialrechtlichen Sinne ehrenamtlich wahr, solange nicht besondere Umstände wie namentlich die Höhe die ihr dafür gewährten finanziellen Anerkennung für eine verdeckte Entlohnung einer Erwerbsarbeit sprechen."

So urteilte das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in seiner Entscheidung vom 07.09.2022, AZ L 2 BA 6/22.

Die Pflegemutter hatte als Klägerin in diesem Verfahren versucht, aus ihrer Pflegetätigkeit ein Beschäftigungsverhältnis abzuleiten. Obwohl das Verfahren in diesem Fall nicht zu Gunsten der Klägerin ausgegangen ist, weist das Gericht in seiner Begründung jedoch darauf hin, dass insbesondere bei einer sehr viel höheren Vergütung die Entscheidung auch anders hätte ausfallen können.

Insofern sollten insbesondere Träger, die mit "angestellten" Pflegefamilien arbeiten, hier sehr genau prüfen. Dasselbe gilt für professionelle Pflegefamilien.

 

Kontakt

Arbeitgeberverband privater Träger
der K
inder- und Jugendhilfe e.V.

Nikolaiwall 3

27283 Verden

Tel 04231 - 95 18 412

Mail: info@ag-vpk.de

Internet: www.ag-vpk.de

 

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