Rechtsprechung

BAG zum Weisungsrecht des Arbeitgebers

Welch gewichtige Bedeutung das Weisungsrecht dem Arbeitgeber zukommt, hat jüngst wieder das BAG bestätigt (Urteil v. 30.11.2022, Az 5 AZR 336/21).

Die Entscheidung ist in zwei Leitsätzen zusammengefasst:

1. Der Arbeitgeber kann aufgrund seines Weisungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO dem Arbeitnehmer grundsätzlich auch einen Arbeitsplatz im Ausland zuweisen, wenn die möglichen Arbeitsorte nicht durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften auf das Inland begrenzt sind. Eine Beschränkung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte in der Bundesrepublik Deutschland ist dem Arbeitsvertrag als solchem nicht immanent.

2. Die Zuweisung eines Arbeitsorts im Ausland unterliegt wie jede Ausübung des Weisungsrechts des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle. Sofern die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung beruht, kommt dieser besonderes Gewicht zu, ohne dass das unternehmerische Konzept auf seine Zweckmäßigkeit zu überprüfen wäre.

Auch wenn die meisten unserer Mitglieder keine Einrichtungen im Ausland betreiben, stellt die Entscheidung noch einmal heraus, welche grundlegenden Möglichkeiten dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen, wenn es um die Zuweisung von Tätigkeiten, Zeiten und Arbeitsorten geht.

Zu berücksichtigen ist, dass das Weisungsrecht manchmal durch den Arbeitsvertrag (oder auch Tarifvertrag) eingeschränkt sein kann. Das steht meist im Zusammenhang mit Abwägungen, die Arbeitgeber bei einer potenziellen Sozialauswahl im Kündigungsschutzverfahren schützen können. Insofern ist bei der Ausübung des Weisungsrechtes immer zu prüfen, ob es nicht arbeits- oder tarifvertraglich eingeschränkt wurde.

30.03.2023 MdC

BEM trotz Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich

Wie wichtig das BEM ist, das hat das Bundesarbeitsgericht erneut in einer aktuellen Entscheidung (Urteil v., 15.12.2022, Az 2 AZR 162/22) herausgestellt.

In seinem Leitsatz schreibt das BAG dazu:

Die Zustimmung des Integrationsamts zu einer krankheitsbedingten Kündigung begründet nicht die Vermutung, dass ein (unterbliebenes) betriebliches Eingliederungsmanagement die Kündigung nicht hätte verhindern können.

In diesem Verfahren hatten sich die Parteien  über die Wirksamkeit einer ordentlichen, auf krankheitsbedingte Gründe gestützten Kündigung gestritten.

Die schwerbehinderte (bzw. hier gleichgestellte) Arbeitnehmerin hat sich mit Erfolg darauf berufen können, dass im Falle eines ordnungsgemäß durchgeführten BEM eine Kündigung hätte womöglich vermieden werden können.

Der Arbeitgeber hatte hier sogar ein BEM-Angebot unterbreitet, allerdings dabei die vorherige Unterzeichnung einer Einwilligung in die Verarbeitung von personenbezogenen und Gesundheitsdaten verlangt. Das BAG entschied, dass eine solche Einwilligung in § 167 Abs. 2 SGB IX nicht vorgesehen sei und deshalb das BEM hätte durchgeführt werden können.

Da es jedoch hier nicht zu einem BEM kam und die Arbeitnehmerin beispielhaft ein paar Maßnahmen aufzeigen konnte, die eine Kündigung hätten verhindern können, war sie mit ihrer Kündigungsschutzklage erfolgreich.

Schön zusammengefasst hat das BAG in seiner Entscheidung im Übrigen noch einmal die Bedeutung des BEM im Kündigungsschutzverfahren:

 Der Arbeitgeber, der für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung ... die Darlegungs- und Beweislast trägt, kann sich zwar im Kündigungsschutzprozess grundsätzlich zunächst auf die Behauptung beschränken, für den Arbeitnehmer bestehe keine andere – seinem Gesundheitszustand entsprechende – Beschäftigungsmöglichkeit. War der Arbeitgeber jedoch ...zur Durchführung eines bEM verpflichtet und ist er dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, ist er darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass auch ein bEM nicht dazu hätte beitragen können, neuerlichen Arbeitsunfähigkeitszeiten entgegenzuwirken und das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Die Durchführung eines bEM ist zwar nicht selbst ein milderes Mittel gegenüber der Kündigung. § 167 Abs. 2 SGB IX konkretisiert aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe eines bEM können mildere Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erkannt und entwickelt werden (...).

 

30.03.2023 MdC

 

Tägliche Ruhezeit darf nicht auf wöchentliche Ruhezeit angerechnet werden

In einer aktuellen Entscheidung des EuGH (Urteil v. 2.03.2023, Az. C-477/21) ging es (vereinfacht gesagt) um die Frage, ob tägliche und wöchentliche Ruhezeit kombiniert werden können.

Nein, sagte der EuGH.

Die tägliche Ruhezeit ist nicht Teil der wöchentlichen Ruhezeit. Sie ist vielmehr zusätzlich zu gewähren, auch wenn sie der wöchentlichen Ruhezeit unmittelbar vorausgeht oder nachfolgt. Das gilt auch dann, wenn die wöchentliche Ruhezeit länger ist als von der Arbeitszeitrichtlinie vorgegeben. Eine günstigere Regelung zur wöchentlichen Ruhezeit schmälert nicht das Recht auf die tägliche Mindestruhezeit.

Beispiel:

Ein Erzieher arbeitet am Samstag bis 22 Uhr. Die sich anschließende tägliche Ruhezeit von elf Stunden endet am Sonntag um 9 Uhr. Soll mit dem Sonntag dann aber auch die wöchentliche Mindestruhezeit von 24 Stunden abgegolten werden dürfte der Erzieher frühestens am Montag um 9 Uhr wieder anfangen zu arbeiten.

 

Die Entscheidung werden alle Dienstplangestalter beachten müssen.

 

15.03.2023 MdC

 

BAG zur Entgeltgleichheit bei Frauen und Männern

In einer aktuellen Entscheidung des BAG geht es um die Entgeltgleichheit von Frauen und Männern. Zu dieser Entscheidung liegt der Volltext noch nicht vor, aber man darf in Anbetracht der Pressemitteilung des BAG auf die Gründe gespannt sein.

In der Pressemitteilung heisst es: "Eine Frau hat Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt. Daran ändert es nichts, wenn der männliche Kollege ein höheres Entgelt fordert und der Arbeitgeber dieser Forderung nachgibt."

Wie sich die Entscheidung zum Prinzip der Vertragsfreiheit verhält wird spannend. Das BAG sah hier eine Diskriminierung nach dem AGG und sprach der Klägerin neben dem gleichen Lohn auch noch eine Entschädigung zu. In der ungleichen Vergütung sah das Bundesarbeitsgericht bereits ein Indiz für die Diskriminierung.

Diebstahl rechtfertigt nicht immer eine fristlose Kündigung

Das musste eine Arbeitegber feststellen, der einen Mitarbeiter außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich auf Grund eines (geringfügigen) Lebensmitteldiebstahls gekündigt hatte.

Die außerordentliche Kündigung sei nicht wirksam, da es einer vorhergehenden Abmahnung bedurft hätte, so das hessische LAG in seiner Entscheidung  vom 04.11.2022 (Az 10 Sa 778/22).

Die Begründung liefert das Gericht bereits im Leitsatz der Entscheidung:

1. Eine Abmahnung ist bei einer verhaltensbedingten außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB nicht entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer bei einer unklaren Weisungslage annehmen durfte, es sei gestattet, bei einer Firmenfeier übrig gebliebene Lebensmittel mit nach Hause zu nehmen.

2. Die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht abschließend für alle Fälle festlegen. Es ist im Grundsatz anerkannt, dass nicht nur vertragsbezogene Umstände eine Rolle spielen können, sondern auch solche, die in der Person des Arbeitnehmers liegen. Dazu kann auch gehören, dass der Arbeitnehmer derzeit ein Adoptionsverfahren betreibt, bei dem im Interesse des Kindeswohls auch die sozialen Verhältnisse der Adoptiveltern eine Rolle spielen.

Da es sich im hier entschiedenen Fall um einen Kleinbetrieb gehandelt hat, ging die ordentliche Kündigung allerdings problemlos durch und das Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf der Kündigungsfrist.

Keine "Rücknahme" einer Kündigung

Im hier entschiedenen Fall vor dem Thüringer LAG ging es um einen Mitarbeiter, der sein Arbeitsverhältnis gekündigt hatte. Kurze Zeit später tat ihm seine Entscheidung leid und er erklärte dem Arbeitgeber per Email, dass er die Kündigung "zurückziehe". Darauf ließ sich der Arbeitgeber aber nicht ein. Korrekt, so das LAG.

Die „Rücknahme“ einer Kündigung ist als ein Antrag auf einvernehmliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen. Einen solchen Antrag muss der Vertragspartner, dem gegenüber die Kündigung erklärt worden war, aber nicht annehmen.

 

Pausen in Bereitschaftszeiten

Pausenzeiten unter Bereithaltungspflicht stellen gemäß einer aktuelles Entscheidung des BVerwG (Urteil vom 13.10.2022 -BVerwG 2 C 7.21) nicht automatisch Arbeitszeit i. S. d. Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG dar. Es bedarf vielmehr bei Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls der Prüfung, ob die dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen von solcher Art sind, dass sie objektiv gesehen ganz erheblich seine Möglichkeit beschränken, die Zeit frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen.

Die Kosten, die dem Arbeitgeber dadurch entstehen, dass der Arbeitnehmer während der Ruhezeiten ggf.  ersetzt werden muss, rechtfertigen eine Nichtanwendung der Pausenregelung jedoch nicht. Zu berücksichtigen als "relevante Umstände" sind die mögliche Auswirkung der Reaktionsfrist, die Häufigkeit, aber auch die Unvorhersehbarkeit möglicher Unterbrechungen
der Ruhepausen, die eine zusätzliche beschränkende Wirkung auf die Möglichkeit des Arbeitnehmers haben kann, die Zeit frei zu gestalten. Die sich daraus ergebende Ungewissheit kann ihn in Daueralarmbereitschaft versetzen. Die den Ruhepausen immanenten Einschränkungen in räumlicher und zeitlicher Hinsicht sind bei der Gesamtwürdigung dagegen außer Acht zu lassen. 

Das BVerwG hat allerdings noch einmal hervorgehoben, dass alternative Pausenregelungen unter bestimmten Voraussetzungen in Tarifverträgen verhandelt werden können (wie bspw. im Tarif AGVPK).

 

Kontakt

Arbeitgeberverband privater Träger
der K
inder- und Jugendhilfe e.V.

Nikolaiwall 3

27283 Verden

Tel 04231 - 95 18 412

Mail: info@ag-vpk.de

Internet: www.ag-vpk.de

 

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