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Pause und Arbeitszeit

In einer neuen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (7.09.2023, Az 2 Sa 234/22) verneinte dies eine Vergütung von Ruhepausen, in denen sicher der Kläger angeblich zur Arbeit zur Verfügung halten müsse.

Zunächst fasste das LAG die bisherige Rechtsprechung zur Pausengewährung zusammen:

"Pausen sind im Voraus feststehende Unterbrechungen der Arbeit, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten hat und frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann (...). Mit dem zum Begriff der Pause gehörenden Erfordernis, dass die Dauer der Arbeitsunterbrechung im Voraus feststehen muss, soll sichergestellt werden, dass der Arbeitnehmer tatsächlich eine Ruhepause zur Verfügung hat, sich hierauf einstellen kann und diese nicht etwa durch kontinuierliche Weiterarbeit überlagert und "vergessen" wird. Nicht erforderlich ist hingegen, dass eine exakte Zeit bestimmt ist. Die Vorgabe eines bestimmten zeitlichen Rahmens genügt. Unverzichtbar ist jedoch, dass jedenfalls bei Beginn der Pause deren Dauer bekannt sein muss. Eine Arbeitsunterbrechung, bei deren Beginn der Arbeitnehmer nicht weiß, wie lange sie dauern wird, ist keine Pause, da er sich dann durchgehend zur Arbeit bereithalten müsste (...)."

Im vorliegenden Fall sah das LAG das Erfordernis des im Voraus Feststehens auch durch die praktizierte flexible Pausengestaltung als erfüllt an.

Interessant waren jedoch die weiteren Ausführungen zur "Bereithaltung". Zunächst nahm das LAG dabei auf die bisherige Rechtsprechung des EuGH Bezug:

"Fehlt es - wie hier - an einer Verpflichtung, am Arbeitsplatz bzw. an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort zu bleiben, kann auch eine "bloße" Pflicht des Arbeitnehmers, sich während der Pausen zur Wiederaufnahme der Arbeit bereitzuhalten, nicht automatisch als Arbeitszeit i.S.d. Richtlinie 2003/88/EG eingestuft werden (...). Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 09. September 2021 - C-107/19 - ist Art. 2 der Richtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen, dass die einem Arbeitnehmer während seiner täglichen Arbeitszeit gewährte Ruhepause, in der er, wenn nötig, innerhalb einer bestimmten Reaktionsfrist (im betreffenden Fall "binnen zwei Minuten") einsatzbereit sein muss, als "Arbeitszeit" im Sinne dieser Bestimmung einzustufen ist, wenn sich aus einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände ergibt, dass die dem Arbeitnehmer während dieser Ruhepause auferlegten Einschränkungen von solcher Art sind, dass sie objektiv gesehen ganz erheblich seine Möglichkeit beschränken, die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen. Zu den zu berücksichtigenden Umständen des Einzelfalles gehören die Auswirkung der Reaktionsfrist, die Häufigkeit, aber auch die Unvorhersehbarkeit möglicher Unterbrechungen der Ruhepausen, die eine zusätzliche beschränkende Wirkung auf die Möglichkeiten des Arbeitnehmers haben kann, die Zeit frei zu gestalten. Die sich daraus ergebende Ungewissheit kann ihn in Daueralarmbereitschaft versetzen. Die den Ruhepausen immanenten Einschränkungen in räumlicher und zeitlicher Hinsicht sind bei der Gesamtwürdigung dagegen außer Acht zu lassen (EuGH 09. September 2021 - C-107/19 - Rn. 37, 39 ff.; BVerwG 13. Oktober 2022 - 2 C 7/21 - Rn. 10)."

Im Anschluss daran nahm das LAG eine Bewertung im Einzelfall vor, die hier zu Lasten des Klägers ausging:

"Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt sich hier aus einer Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des vorliegenden Falls nicht, dass dem Kläger während der gewährten Ruhepausen derartige Einschränkungen auferlegt worden sind, dass objektiv gesehen seine Möglichkeit zur freien Gestaltung der Pause nach seinen eigenen Interessen ganz erheblich beschränkt worden ist.

Die Beklagte hat für die Pausenzeiten keine Rufbereitschaft mit einer bestimmten Reaktionsfrist für den Kläger angeordnet. Zwar befindet sich in der Kantine ein Monitor, auf dem von den dort anwesenden Mitarbeitern ggf. gesehen werden kann, dass an einer Maschine eine Störung eingetreten ist. Dieser in der Kantine befindliche Monitor gibt keine Tonsignale ab. Wenn der Kläger auf dem Monitor sieht, dass an einer Maschine eine Störung eingetreten ist, besteht nach seiner Erklärung im Kammertermin vom 07. September 2023 keine Verpflichtung, dass er von selbst an der Maschine erscheint. Allein der Umstand, dass es vorkommen kann, dass er ggf. von einem Vorgesetzten angesprochen wird, ob er zur Beseitigung der Störung seine Pause unterbrechen könne, ist keine erhebliche Einschränkung seiner Möglichkeit zur freien Gestaltung der Pausenzeit. Vielmehr steht es dem Kläger frei, ob er sich überhaupt in der Kantine aufhalten oder an einem anderen Ort seine Pausenzeit verbringen will. In Ziffer 4.1.1.4 der Betriebsvereinbarung vom 21. März 2000 ist geregelt, dass ein Mitarbeiter nur aus dringenden Gründen seine abgesprochene Pause unterbrechen müssen soll. Dass dies tatsächlich häufiger vorkommt, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Kläger konnte zur Häufigkeit solcher Fälle keine näheren Angaben machen, was dafür spricht, dass es sich eher um absolute Ausnahmefälle handeln dürfte. Auch unter Zugrundelegung des Vortrags des Klägers kann im Streitfall nicht angenommen werden, dass er aufgrund ihm erteilter Vorgaben bzw. auferlegter Verpflichtungen davon abgehalten wird, seine Pausenzeiten frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen. Soweit der Kläger lediglich allgemein auf ein angeblich im Betrieb "ungeschriebenes Gesetz" verwiesen hat, wonach er und seine Mitarbeiter in der Produktion sich in den Pausenzeiten "auf dem Gelände und insbesondere in der Kantine aufhalten mögen", damit im Bedarfsfall ein aufgetretener Fehler an einer Maschine behoben werden könne, lässt dies nicht erkennen, ob und ggf. durch wen auf welche Weise welche verbindlichen Vorgaben diesbezüglich gemacht worden sein sollen. Allein der Umstand, dass sich die Mitarbeiter in der Produktion gegenseitig unterstützen und ggf. auch im Falle einer Störung zur wechselseitigen Hilfe bereit sind, beinhaltet keine von der Beklagten vorgegebene Bereithaltungsverpflichtung, zumal auch kein bestimmter Aufenthaltsort oder eine Rufbereitschaft vorgegeben ist. Auch ist nicht ersichtlich, dass es überhaupt in nennenswerten Fällen zu Unterbrechungen der Pausenzeiten kommt. Soweit der Kläger seine Pausenzeiten in der Kantine verbringt und ggf. während seiner Pausenzeiten das Betriebsgelände nicht verlässt, weil sich dies in Anbetracht der Dauer der Pause nicht lohnt, sind solche aus der kurzen Dauer jeder Ruhepause abgeleiteten Einschränkungen in räumlicher und zeitlicher Hinsicht bei der Gesamtwürdigung nicht zu berücksichtigen."

Im hier entschiedenen Fall ging es um eine tarif- bzw. betriebsverfassungsrechtliche Pausenregelung. Für die Kinder- und Jugendhilfe ist zu beachten, dass Pausenregelungen mit einer "Bereithaltungspflicht" ausschließlich durch tarifvertragliche Regelungen eingeführt werden können. Arbeitgeber ohne tarifvertragliche Bindung haben hingegen Schwierigkeiten, eine Pausenregelung sicherzustellen, die auch bei "Alleindiensten" erforderlich ist und müssten deshalb eine entsprechende Springer- oder Vertretungskraft einsetzen.

 

 

(Keine) Umgehung der Sozialversicherungspflicht durch Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft

Auf welche Ideen mancher kommt, um einer etwaigen Sozialversicherungspflicht zu entgehen, zeigt eindrucksvoll die Entscheidung des BSG v.20.07.2023 / B 12 BA 1/23 R, die vor ein paar Tagen veröffentlicht wurde.

In mehreren parallel entschiedenen Verfahren ging es grundsätzlich um die folgende Kostruktion: Die (natürlichen) Personen waren immer alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften (entweder GmbH oder auch UG).  Mit diesen Kapitalgesellschaften schlossen Dritte Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen. In zwei Verfahren ging es um Pflegedienstleistungen im stationären Bereich eines Krankenhauses, im dritten Fall um eine beratende Tätigkeit. Tatsächlich erbracht wurden die Tätigkeiten ausschließlich von den natürlichen Personen. Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund stellte in allen Fällen Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung fest.

Zu Recht urteilte das BSG und führte dazu im Leitsatz aus:

"Stellt sich die Tätigkeit einer natürlichen Person nach deren tatsächlichem Gesamtbild als abhängige Beschäftigung dar, ist ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht deshalb ausgeschlossen, weil Verträge nur zwischen dem Auftraggeber und einer Kapitalgesellschaft bestehen, deren alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter die natürliche Person ist."

 

 

Steuer- und Sozialversicherung für SNF-Zuschläge bei Lohnfortzahlung

Der amtliche Leitsatz des Urteils des LSG Niedersachsen-Bremen (Urt. v. 08.11.2023, Az.: L 2 BA 55/22)

lautet lapidar:

"Auch soweit Teilbeträge der für Urlaubstage zu gewährenden Lohnfortzahlung auf die Zahlung beitragspriviligierter Zuschläge für Nachtarbeit im vorausgegangenen Referenzzeitraum zurückzuführen sind, nimmt die Lohnfortzahlung ihrerseits nicht an der Beitragspriviligierung teil."

Was sich hier sehr einfach anhört, hat für Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe große Auswirkungen.

Bekanntlich sind Zuschläge für Sonntags- Nacht-, Feiertagsarbeit ("SNF-Zuschläge") unter bestimmten Voraussetzungen steuer- und soziaversicherungsfrei. Dies gilt aber nur, wenn die Arbeit zu diesen Zeiten  auch tatsächlich geleistet wird. Nun basieren viele Lohnfortzahlungen auf einem durchschnittlich erzielten Lohn, so z.B. bei der Lohnfortzahlung im Urlaubsfall. Hier wird, sofern tarifvertraglich nichts anderes vereinbart ist, die Lohnfortzahlung auf Grund des Durchschnittsgehalts der letzten 13 Wochen berechnet. Darin enthalten sind dann allerdings auch "steuerfreie" SNF-Zuschläge. Diese sind aber im Urlaubsfall dann nicht mehr steuer- und beitragsfrei, da die Steuer- und Beitragsfreiheit ja nur für tatsächlich geleistete Arbeit gilt - was im Urlaub nicht der Fall ist.

Ähnliches gilt nicht nur für Lohnfortzahlungen nach einem Referenzprinzip (wie in diesem Beispiel im Urlaubsfall), sondern auch nach dem Lohnausfallprinzip, welches z.B. für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gilt.

Das Urteil war so zu erwarten und diese Rechtsauffassung wurde von uns bereits von Anfang an vertreten und in unseren Seminaren zum Arbeits- oder Entgeltrecht vermittelt. Verbandsmitglieder, die hier unseren Empfehlungen gefolgt sind, werden daher auch im Falle einer Überprüfung durch Sozialversicherer oder finanzbehörden nichts zu befürchten haben.

 

 

Ankündigungsfrist für dienstliche Einsätze: BAG kippt LAG-Entscheidung

Eine für Arbeitgeber absolut erfreuliche Entscheidung hat nun das BAG in seinem erst gestern veröffentlichten Urteil v. 23.08.2023 (Az 5 AZR 349/22) getroffen.

In seinem Leitsatz lautet das Urteil:

Ist dem Arbeitnehmer auf der Grundlage der betrieblichen Regelungen bekannt, dass der Arbeitgeber die Arbeitsleistung für den darauffolgenden Tag in Bezug auf Uhrzeit und Ort konkretisieren wird, ist er verpflichtet, eine solche, per SMS mitgeteilte Weisung auch in seiner Freizeit zur Kenntnis zu nehmen.

Wir hatten seinerzeit bereits über die Entscheidung der Vorinstanz berichtet. Das BAG ist hier der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nun nicht gefolgt. Das BAG sah hier auch keine Analogie zur Ankündigungsfrist für sog. "Abrufarbeit" gemäß § 12 TzBfG.

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 TzBfG können Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Merkmal dieser Abrufarbeit ist nach der Legaldefinition das Recht des Arbeitgebers, entsprechend dem Arbeitsanfall Lage und Dauer der Arbeit bestimmen zu können (vgl. BAG 7. Dezember 2005 – 5 AZR 535/04 – Rn. 26, BAGE 116, 267) und die daraus folgende Verpflichtung des Arbeitnehmers, auf Anforderung des Arbeitgebers zu arbeiten (vgl. BAG 7. Dezember 2005 – 5 AZR 535/04 – Rn. 23, aaO). Im Streitfall liegt kein Abrufarbeitsverhältnis in diesem Sinne vor. Die Dienste des Klägers werden nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mit der jährlichen Ist-Dienstplanung im Voraus festgelegt. Von daher kam nach Auffassung des BAG hier auch nicht die für Abrufarbeit gesetzlich vorgesehene Frist von 4 Tagen im Voraus in Frage.

Wir werden das Urteil des BAG auf Grund der hohen Relevanz für die Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere auch in Bezug auf kurzfristig erforderliche Dienstplanänderungen, noch genauer auswerten und dann unsere Mitglieder entsprechend informieren.

 

 

Sechste Pflegearbeitsbedingungenverordnung verabschiedet

Heute, am 4.12.2023, wurde die 6.Pflegearbeitsbedingungenverordnung im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Auch wenn die Verordnung primär (nur) Gültigkeit für den Pflegebereich hat, sind Auswirkungen in angrenzenden Sozialleistungsbereichen nicht ausgeschlossen, da die neuen beschlossenen (Pflege-)  Mindestlöhne die dort genannten Betreungskräfte ggf. auch zu einem Wechsel in die Pflege motivieren könnten. Bei einem Mindestentgelt von 16,10 € ab Juli 2024, welches auch für ungelernte Kräfte gilt, liegt die Vergütung in der Pflege deutlich höher als nach dem Mindestlohngesetz.

 

Kontakt

Arbeitgeberverband privater Träger
der K
inder- und Jugendhilfe e.V.

Nikolaiwall 3

27283 Verden

Tel 04231 - 95 18 412

Mail: info@ag-vpk.de

Internet: www.ag-vpk.de

 

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