Rechtsprechung

Nachtarbeitszuschläge in Tarifverträgen

Das LAG Nds. hat entschieden, dass eine tarifvertragsgleiche Regelung (im Streitfall war hier ein Tarifvertrag der Futtermittelindustrie), die für Nachtarbeit einen Zuschlag vom 60 % zum Stundenlohn vorsieht, während Nachtarbeit im Schichtbetrieb lediglich mit einem Zuschlag von 25 % vergütet wird, Nachschichtarbeitsnehmer gegenüber Arbeitnehmern, die außerhalb von Schichtsystemen Nacharbeit leisten, gleichheitswidrig schlechterstellt.

In einem anderen Verfahren, das ebenfalls vor dem LAG Nds. geführt wurde, sah das Gericht die Differenzierung zwischen Nachtarbeit in der Zeit von 21:00 Uhr bis 5:00 Uhr, die keine Schichtarbeit ist (50 %) und Schichtarbeit, die in die Nachtzeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr fällt (25 %) bei der Zuschlagshöhe dagegen nicht als Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG an, da diese Differenzierung sich im Rahmen der den Tarifvertragsparteien nach Art. 9 Abs. 3 GG zustehenden Einschätzungsprärogative hält. Gier ging es um einen TV in der Getränkeindustrie.

Unseres Erachtens sind beide Entscheidungen stimmig, obwohl sie auf den ersten Blick auseinanderfallen. Die Tücke steckt hier im Detail - und Tarifvertragsparteien müssen bei der Entscheidungsfindung daher berücksichtigen, dass eine Differenzierung bei der Höhe von Nachtzuschlägen nicht in jedem Fall gleichheitswidrig ist. Praktische Konkordanz zwischen der Grundrechtsausübung durch die Tarifvertragsparteien nach Art. 9 Abs. 3 GG und den Gleichheitsrechten der Normunterworfenen (Art. 3 Abs. 1 GG) ist für jede tarifvertragliche Regelung, die unterschiedliche Zuschläge für Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit vorsieht, gesondert herzustellen (LAG Nds. II, a.a.O.).

MdC

Aktuelle Rechtsprechung zum Urlaubsrecht

Das Urlaubsrecht hat sich insbesondere durch die Rechtsprechung des EuGH in den letzten Jahren stark verändert, meist zum Nachteil der Arbeitgeber. Mit zwei aktuellen Entscheidungen des BAG sind nun auch arbeitgeberfreundliche Urteile hinzugekommen.

So hat das BAG hat mit Urteil vom 7.7.2020 (9 AZR 323/19) entschieden, dass tarifliche Ausschlussfristen zum Urlaubsabgeltungsanspruch unionsrechtskonform sind. Weder die Richtlinie 2003/88/EG noch  Art. 31 Abs. 2 GRC schließen demnach die Möglichkeit aus, den Anspruch auf Urlaubsabgeltung einer zeitlich befristeten Geltendmachung zu unterwerfen.

Mit Urteil vom 25.08.2020 (Az 9 AZR 612/199 AZR 612/19) hat das BAG weiterhin entschieden, dass der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Urlaub vorsorglich für den Fall gewähren kann, dass eine (i diesem Fall  außerordentliche)  Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst. In diesem Fall muss er den Arbeitnehmer unmissverständlich und endgültig von der Arbeitspflicht befreien und das Urlaubsentgelt entweder vor Antritt des Urlaubs zahlen oder dessen Zahlung vorbehaltlos zusagen.

MdC

 

Kündigung

 Arbeitnehmer sind verpflichtet dem Arbeitgeber gemäß  § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG  unverzüglich anzuzeigen, wenn sie länger als ursprünglich mitgeteilt arbeitsunfähig krank sind. Wird das nicht gemacht, kann dies eine verhaltensbedingte Kündigung sozial rechtfertigen.

BAG Urt. vom 7.5.2020 - 2 AZR 619/19Urt. vom 7.5.2020 - 2 AZR 619/19

MdC

Arbeitszeit, Bereitschaftszeit oder Rufbereitschaft

Dass die Abgrenzung von Arbeitszeit, Bereitschaftszeit und Rufbereitschaft nicht immer einfach ist, zeigen gerade 2 beim EuGH anhängige Verfahren. Neben einem Verfahren aus Slowenien, in dem es um die Arbeitszeit eines Sendetechnikers geht, der auf Grund geographischer Besonderheiten in der Nähe seines Einsatzortes "stationiert" ist, ist auch ein Vefahren aus Deutschland mit dabei. In dem Verfahren geht es um die Frage, ob ein Feuerwehrmann, der innerhalb von 20 Minuten die Grenzen der Stadt in  Arbeitskleidung und mit  Einsatzfahrzeug erreichen können muss, als Arbeitszeit oder als Ruhezeit anzusehen ist.

Auch wenn beide Verfahren zunächst (anscheinend) nichts mit der Kinder- und Jugendhilfe zu tun haben, werden die Entscheidungen zu einer Konkretisierung der Begriffe Arbeitszeit / Bereitschaftszeit / Rufbereitschaft beitragen.

Sobald die Entscheidungen vorliegen werden wir hier weiter berichten.

MdC

BEM - keine Beteiligung eines Rechtsanwalts

Das LAG Köln hat in einer erst kürzlich veröffentlichten Entscheidung (Urteil v. 23.01.2020, 7 Sa 471/19) noch einmal ausgeführt, dass der/die betroffene Arbeitnehmer(in) in der Regel keinen Anspruch darauf hat, ihre(n)/seine(n) Rechtsanwalt(-in) am BEM Gespräch nach § 167 II SGB IX teilnehmen zu lassen.

Bei schwerbehinderten Arbeitnehmern, bei denen das Integrationsamt beim BEM-Gespräch beteiligt wird, bestimmt das Amt zudem selbst, welche(r) Mitarbeiter(in) an einem BEM-Gespräch nach § 167 II 4 SGB IX teilnimmt - nicht aber der/die Arbeitnehmer(in), um den/die es bei dem BEM geht.

Über die Tücken des BEM, welches von Arbeitgebern häufig vernachlässigt wird, ist im Übrigen gerade ein schöner Blog der Kanzlei CMS veröffentlicht worden.

5.10.20 MdC

Verjährung von Urlaubsansprüchen - BAG fragt nun den EuGH

Der Streit um den Verfall von Urlaubsanprüchen geht nun in eine neue Runde. Sofern der Arbeitgeber nicht mitwirkt, verfallen Urlaubsansprüche nach der neueren Rechtsprechung des BAG nicht mehr. Fraglich ist aber, ob dies zu einer unbegrenzten Ansammlung von Urlaubsansprüchen führen kann, oder ob die im deutschen Recht geltende Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB (Regelverjährung von 3 Jahren zum Jahresende) hier in Frage kommt.

Das BAG hat diese Frage jetzt zunächst offengelassen und zur Beantwortung dem EuGH vorgelegt (AZ 9 AZR 266/20 (A)).

Insbesondere für die familienähnlichen Wohnformen könnte diese Frage von erheblicher Brisanz sein. Angestellte "Innewohnende" nehmen in der Regel nicht den gesetzlichen Urlaub in Anspruch. Ob für diese Wohnformen die europäische Arbeitszeitrichtlinie hinsichtlich des Urlaubsanspruchs gilt, ist allerdings (auch) noch nicht entschieden. Sofern Innewohnende jedoch einen solchen Anspruch haben, wird die Frage der Verjährung von ganz erheblicher Bedeutung sein.

5.10.20 MdC

Mindestlohn in der Pflegebranche

Die in der 2. und 3. PflegeArbbV festgelegten Grundsätze zur Bemessung des Mindestentgelts gehen nach § 1 Abs. 3 MiLoG iVm. § 24 Abs. 1 MiLoG aF dem im Mindestlohngesetz geregelten Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn vor. Soweit die in den vorrangigen Rechtsverordnungen festgesetzten Branchenmindestlöhne nach § 1 Abs. 3 Satz 1 MiLoG die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns nicht unterschreiten dürfen, betrifft dies nur die Höhe des Mindestentgelts selbst. Die in Rechtsverordnungen enthaltenen Bestimmungen zur Vergütungspflicht von Arbeitszeit und zur Bemessung der Arbeitsleistung als Arbeitszeit gehen dagegen dem Verständnis vergütungspflichtiger Arbeitsstunden nach dem Mindestlohngesetz vor.

Mit dieser Entscheidung des BAG vom 24. Juni 2020 – 5 AZR 93/19 wurde  für den Pflegebereich eine seit längerer Zeit erwartete Klärung des Verhältnisses zwischen dem MiLoG und der PflegeArbbV herbeigeführt. Für die Jugendhilfe ist die Entscheidung insofern lesenswert, als dass hier noch einmal das Verhältnis zwischen Bereitschaftszeit/Arbeitszeit sowie der Vergütung derselben beschrieben wurde. Ebenso wurde noch einmal dargelegt, wie eine etwaige Differenzvergütung geltend gemacht werden muss - die Beweislast liegt hier beim Arbeitnehmer.

23.09.2020 MdC

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